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Kinoplakat (US): Entscheidung in der Sierra – High Sierra (1941)
Schwanengesang auf den
klassischen Gangsterfilm
Titel Entscheidung in der Sierra
(High Sierra)
Drehbuch John Huston + W.R. Burnett
nach dem gleichnamigen Roman von W.R. Burnett
Regie Raoul Walsh, USA 1941
Darsteller Ida Lupino, Humphrey Bogart, Alan Curtis, Arthur Kennedy, Joan Leslie, Henry Hull, Henry Travers, Jerome Cowan, Minna Gombell, Barton MacLane, Elisabeth Risdon, Cornel Wilde, Donald Mac, Paul Harvey, Isabel Jewell u.a.
Genre Action, Crime
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
21. Oktober 1977 (TV-Premiere)
Inhalt
Der Gangster Big Mac plant einen Raubüberfall auf ein Hotel. Er benötigt die Hilfe des erfahrenen Roy Earle und arrangiert dessen Begnadigung aus dem Gefängnis durch den Gouverneur.

Earle übernimmt die Organisation des Überfalls – beteiligt sind „Anfänger“, wie Earle findet: Louis Mendoza, der im Hotel arbeitet, sowie Red und Babe. Babe bringt die junge Marie in die Gruppe. Earle will die junge Frau zurück nach Los Angeles schicken, doch sie kann ihn davon überzeugen, dass sie eine Hilfe sein kann. Schließlich läuft Earle ein kleiner Hund zu, der Pard genannt wird.

Marie verliebt sich in Earle, doch der erwidert ihre Gefühle nicht. Er liebt Velma, eine junge Frau mit einer Gehbehinderung, der er die Operation bezahlt hat, die ihr ein normales Gehen ermöglicht. Während der Heilungszeit fragt Earle Velma, ob sie ihn heiraten will. Velma lehnt ab, weil sie mit einem anderen Mann verlobt ist.

Beim Überfall kann das Trio, dem als Vierte jetzt offiziell Marie (als Fahrerin) angehört, zwar kostbaren Schmuck erbeuten, aber als ein bewaffneter Wachmann auftaucht, muss Earle ihn erschießen.

Mendoza, Red und Babe verunglücken auf der anschließenden Flucht mit dem Auto, wobei Red und Babe sterben. Mendoza wird verhaftet und behauptet, von den Gangstern entführt worden zu sein. Bald prangt Eagles Foto auf den Titelseiten der Zeitungen …

Was zu sagen wäre
Schwanengesang für den klassischen Gangster. In der realen Welt ist John Dillinger, Staatsfeind No. 1, tot, so beginnt nun auch das Sterben der kriminellen Filmhelden. Selten hat jemand so konsequent seinen Tod gesucht, wie dieser Roy Earle, der sein Ende in der faszierienden Bergwelt der Sierra findet. „High Sierra“ ist einer der letzten Filme, der ganz und gar m Gangstermilieu angesiedelt ist – allerdings einem in Auflösung. Die Zeiten sind gerade noch hart genug, dass ein Gangsterboss einem Schwerkriminellen zu einer Begnadigung verhelfen kann, aber sonst: „Die erste Garde ist weg vom Fenster“, klagt Gangsterboss Big Mac über das Ausbleiben guter Nachwuchskräfte im Milieu, sie seien „tot, oder in Alcatraz. Ja, die Zeiten haben sich geändert.“ Heute schlägt sich Profigangster mit halbstarken Typen rum, die nicht mal eine Frau im Zaum halten können.

Überhaupt die Frau: Ida Lupino ist neben Humphrey Bogart der stärkste Charakter in diesem Gangsterfilm. Zwar sucht sie einen Beschützer, wirft sich im Film nacheinander den Männern an den Hals, ist im Grunde aber eine unabhängige Figur, die die anderen weniger nötig hat, als die sie. „Ja, ich verstehe schon“, sagt sie zu Beginn. „Irgendwie hofft mann immer, dass man da raus kommt. Das hält einen auf Trab.“ „Genau das ist es“, entgegnet der frisch aus dem Gefängnis gekommene Bogart. Lupino wirkt wie eine ferne Erinnerung an die Ladies des Film Noir, ist weniger durchtrieben als diese, dafür von einem bürgeerlichen Pragmatismus beseelt, nach vorne schauend („Ich werde Dich niemals verlassen.“). Raoul Walsh zeigt, wie Marie und Roy Earle der Aufbruch in ein anderes Leben verwehrt bleibt. Auch Roy Earle hat sich den Zeiten angepasst.

Der harte Gangster früherer Tage wird weich. Die Frau stört, ist er zu Beginn überzeugt, lernt „die Frau“ dann als härteste des neuen Trios kennen und will am liebsten die Männer loswerden, die ihm zu schwach für den Job erscheinen. Nicht nur das, er enteckt auch sein gutes Herz und erfährt Läuterung durch ein junges Mädchen, das er, 25 jahre älter als sie, dann gleich heiraten will. Das Mädchen hat einen Klumpfuß. Earle finanziert die Operation und verliebt sich in die naive Unschuld des Mädchens, der hier die Rolle einer Dea ex Machina beikommt. Ihre Geschichte hat mit der Gangstergeschichte nichts zu tun, sie ist eine Funktionsfigur, die die Hauptfigur beeinflussen/auf Trab bringen/verändern, Bogarts weiche Seite ausmalen soll. Der Versuch bleibt akademisch, die Klumpfuß-Liebesgeschichte, die sich während der Vorbereitungen auf den großen Coup – nebenher – entwickeln soll, bleibt ein Fremdkörper. Überraschend kommt es da, mit welcher Klarheit das junge, angeblich so naive Mädchen den erfahrenen Mann abweist, weil sie anderweitig verliebt ist – eine Selbständigkeit in der Entscheidung, die in der Familie nicht angelegt war, aber die Ablehnung hilft für Earles letzten Twist, unterfüttert seine Todessehnsucht. Der Zynismus und die Tragik des letzten Gangsters wurden für lange Zeit zum Markenzeichen des Schauspielers Humphrey Bogart in vielen seiner Rollen.

Regisseur Raoul Walsh (Nachts unterwegs – 1940; „Schwarzes Kommando“ – 1940; Die wilden Zwanziger – 1939) beweist Sinn für ein schnörkelloses Timing. Zum finalen Höhepunkt hin inszeniert er eine Jagd durch die Berge – Polizeiautos gegen Gangster – die ihresgleichen sucht in Tempo, Kameraposition und Montage. Walsh ließ sich auch nicht durch den Umstand beirren, dass das Drehbuch mehrfach umgeschrieben werden musste, denn Humphrey Bogart („Orchid, der Gangsterbruder“ – 1940; „Die wilden Zwanziger“ – 1939) war gar nicht geplant. Das Warner-Studio, Herrin des klassischen Gangsterfilms hat die großen Stars (unter den Gangsterdarstellern) unter Vertrag, George Raft, Paul Muni, James Cagney. Bogart war in dieser Hierarchie immer der kleine Gangster gewesen, der Revolvermann, der Killer, der Überbringer schlechter Nachrichten, der eifersüchtige und bald tote Nebenbuhler. Zum Leinwandhelden, zum strahlenden Star ist er streng genommen nicht gebaut – zu klein, zu wenig Haare, zu strenges Gesicht. Zu Beginn seiner Karriere war Bogart stets oft sanfter Liebhaber eingesetzt worden („zu weich für einen Gangster“), später bekamen seine an sich weichen Gesichtszüge, die er gerne in seinen Rollen, etwa als Harry Morgan in Haben und Nichthaben, als „meine weibliche Erscheinung hops nahm“, scharfe Linien („Zu hart für den freundlichen Helden“). Bis „High Sierra“ kam.

Der ursprünglich geplante Hauptdarsteller Paul Muni war unzufrieden mit dem Plot der ersten Szenen und legte die Rolle nieder. George Raft war die nächste Wahl des Produktions-Studios Warner Bros., doch Raft wollte von seinem Gangster-Image wegkommen. So wurde Bogart die Rolle angeboten. Der Film ist der letzte Film von Bogart, in dem er nicht als Erster im Cast genannt wird. Ida Lupino, die schon in Nachts unterwegs (1940) unter Regisseur Walsh mit Bogart gearbeitet hatte, galt als Superstar und bekam den ersten Platz in der Liste.

Wertung: 5 von 6 D-Mark
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