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Plakatmotiv: Passwort Swordfish (2001)

Nach starkem Anfang
zieht das Tempo an

Titel Passwort: Swordfish
(Swordfish)
Drehbuch Skip Woods
Regie Dominic Sena, USA 2001
Darsteller

John Travolta, Hugh Jackman, Halle Berry, Don Cheadle, Vinnie Jones, Camryn Grimes, Sam Shepard, Zach Grenier, Chic Daniel, Angelo Pagan, Marina Black, Cindy Folkerson, Jonathan Fraser, Kerry Kletter, Leo Lee, Nick Loren, William Mapother, Timothy Omundson, Jeff Ramsey, George Marshall Ruge, Tim Storms, Ann Travolta, Margaret Travolta, Sam Travolta, Ilia Volokh, Kirk B.R. Woller, Shawn Woods, Ryan Wulff u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 99 Minuten
Deutschlandstart
1. November 2001
Inhalt

Es gibt eine Welt in unserer Welt. Unterhalb des Cyberspace. Es ist eine Welt, die wir schützen – mit Firewalls, Passwords und hoch entwickelter Technik –, um unsere tiefsten Geheimnisse vor unerwünschtem Zugriff zu bewahren.

Gabriel Shear, ein ebenso charmanter wie gefährlicher Mann mit besten Verbindungen, will in diese Welt eindringen. Dort warten Milliarden Dollar. Regierungsgeld. Illegal. Dazu muss man etwas investieren. Shear braucht den Superhacker. Einen Typ, vor dem auch das beste Sicherheitssystem zu Kinderkram schrumpft.

Stanley Jobson ist so ein Mann. Als einer der zwei besten Hacker auf diesem Planeten leidet er unter einem Verbot – er darf sich nicht näher als 50 Yards einem Computerladen nähern; er hatte das FBI etwas zu viel geärgert, hatte in dessen umstrittenem High-Tech-Überwachungssystem das totale Chaos entfesselt. So haust er also heute mittellos und einsam in einem abgewrackten Wohnwagen im siffigen Industriegebiet – seine Frau hat sich scheiden lassen, lebt jetzt mit einem Pornofilmproduzenten und ihrer Schnapsflasche in Bel Air und verbietet ihm, seine Tochter Holly jemals wiederzusehen.

Gabriel und seine Partnerin Ginger locken Stanley in ihre strahlende Welt. Sie bieten ihm die Chance, Holly wiederzusehen – für immer – und ein neues Leben zu beginnen. Als Stanley einmal den ersten Schritt gemacht hat, ist es zu spät. Schritt zwei, Schritt drei und alle Folgenden ziehen ihn tiefer hinein in eine Geschichte, die sich als mehr herausstellt, als nur ein bisschen Cyber-Klau …

Was zu sagen wäre

Wisst ihr, was mit Hollywood los ist? Die produzieren Scheiße. Absolut banale, unbrauchbare Scheiße! Ich bin kein verbitterter Möchte-gern-Filmemacher, der in den Rauchschwaden seiner Wasserpfeife nach dem tieferen Sinn des Lebens sucht. Nein, ich rede über miserable Schauspieler, grauenvolle Drehbücher, kurzsichtige Regisseure, oberflächliches Geschwätz, was die meisten Studios Prosa nennen.“ Ein Mann, gespielt von John Travolta, referiert über schlechtes Kino. Ausgerechnet in einem Film, der aktueller kaum sein könnte, was weder Travolta noch sein Regisseur Dominic Sena wissen konnten. Ursprünglich sollte dieser Film schon Mitte September in Deutschland starten. Aber dann steuerten Terroristen Linienflugzeuge ins New Yorker World Trade Center und ins Pentagon in Washington und da entschied der Verleih Warner Bros., den Deutschland-Start erstmal zu verschieben; Plakatmotiv (US): Passwort Swordfish (2001) in den USA war er im Mai/Juni gestartet, da war kein Problem mehr gegeben. Problem? Im Kern der Geschichte geht es um internationalen Terrorismus, der sich bis in die USA ausgeweitet hat, und welche Möglichkeiten der US-Geheimdienst hat, dem entgegen zu wirken, genauer: mit welchem Geld er den Gegenschlag finanzieren kann.

Tatsächlich wirkt der Film vor dem Hintergrund der Bilder der Terroranschläge in New York und Washington aktuell. Seit dem 11. September 2001 weiß auch Otto Normalbürger, dass Terroristen viele Millionen Dollar für ihren Terror zur Verfügung haben. Um dem zu begegnen braucht es viel Geld vom Steuerzahler, das der Kongress/das Parlament möglicherweise nicht bewilligt; bekämpft werden muss der Terror dennoch. Und damit sind wir in der Welt von Gabriel. Einem Typen mit auffallender Frisur, aber smart und immer zwei Schritte voraus. Wir lernen ihn gleich in der Eingangssequenz kennen, als er anonymen Zuhörern einen Monolog über das Filmgeschäft hält: „Denkt nur an Hundstage zum Beispiel. Unter Umständen Pacinos beste Arbeit. Neben Scarface und Der Pate I natürlich. Meisterhafte Regie. Bestimmt Lumets beste. Die Kameraführung, das Spiel, das Drehbuch … alles Oberklasse. Aber: Er hat seine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Also was wäre, wenn in Hundstage Sonny ernsthaft hätte gewinnen wollen? Wirklich versucht hätte, davon zu kommen? Was wäre wenn? Das ist der Knackpunkt. Wenn er angefangen hätte, Geiseln zu töten. Einfach so. Ohne Gnade. Erfüllt meine Bedingungen, oder die hübsche Blonde bekommt von mir einen Kopfschuss verpasst. Bumm, kaputt! Was … noch kein Muster?“ Hier gibt uns Gabriel, dessen Namen wir da noch gar nicht kennen, wir auch nicht wissen, wo wir hier eigentlich sind – in einem Filmseminar? – einen Einblick in die weitere Geschichte des vorliegenden Films, es geht um einen Bankraub und die Frage, ob der von John Travolta (Lucky Numbers – 2000; Wehrlos – Die Tochter des Generals – 1999; Zivilprozess – 1998; Der schmale Grat – 1998; Mit aller Macht – 1998; Mad City – 1997; Im Körper des Feindes: Face/Off – 1997; Michael – 1996; Phenomenon – Das Unmögliche wird wahr – 1996; Operation – Broken Arrow – 1996; Schnappt Shorty – 1995; Pulp Fiction – 1994; Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren – 1981; Grease – Schmiere – 1978; Nur Samstag Nacht – 1977; Carrie: Des Satans jüngste Tochter – 1976) gespielte Mann da raus kommt, ohne Geiseln zu töten: „Ich bitte Euch. Wie viele unschuldige Opfer muss ich Euch noch ins Schaufenster legen, damit die Stadt bei Geiselnahmen vernünftig reagiert? Und das 1976, als es noch kein CNN, oder C-NBC gab; und auch kein Internet. Schnellvorlauf in die Gegenwart: Nehmen wir dieselbe Situation. Für die modernen Medien wäre es ein gewaltiges Event. Innerhalb weniger Stunden hätten wir es über die ganze Welt verbreitet, von Boston bis Budapest. Zehn Geiseln werden getötet. 20. 30! Gnadenlos, Bam, Bang, eine nach der anderen! Alles hoch auflösend gedreht. Computer gestützt, farbkorrigiert. Man kann praktisch die Gehirnmasse schmecken. Und wofür? Ein Bus? Ein Flugzeug? Für ein paar Millionen Dollar, die sowieso versichert sind?“ John Travolta atmet tief durch und endet „Das glaube ich nicht, aber … ist nur so ein Gedanke!“ „Mit dem Film gäbe es ein Problem“, sagt Travoltas Gegenüber. „Er würde nicht ankommen.“ „Warum?“ „Das Publikum liebt das Happy End!“ Travolta lächelt unmerklich: „Pacino entkommt mit dem Geld, zahlt dem Freund die Geschlechtsumwandlung und alle sind glücklich und zufrieden. Nein?“ „Nein!“ „Aah… Homophobie!“ „Der Böse darf nicht gewinnen. Wo bliebe die Moral von der Geschichte? Er muss auf jeden Fall verlieren!“ „Mmh … tja … das Leben ist manchmal unwirklicher als der Film“, sagt Travolta, der wieder mal beweist, dass er wunderbare Bad Guys spielen kann, und legt damit die Messlatte für das nun folgende Drama. Ist das Leben, das uns in diesem Actionfilm präsentiert wird, realer?

Dominic Sena (Nur noch 60 Sekunden – 2000; Kalifornia – 1993) hat uns schon am Kragen, als noch gar nichts passiert ist. Er lässt John Travolta die Kinorealität in Frage stellen und damit die Wahrnehmung seines Zuschauers im Kinosessel. Aber dann hebt er uns mit einem Kameraschwenk mitten hinein in eine Hundstage-Situation, man ist umstellt von Einheiten und Scharfschützen, Hubschrauber kreisen; es ist ein Intro, das seinesgleichen im zeitgenössischen Kino sucht. Es ist, soviel sei zur Eingrenzung vorweg gesagt, ein Kino, dessen Bildsprache seine Wurzeln im Comic hat und in dem Frauen ein Spielzeug sind – erotisch und geheimnisvoll; nicht mehr. Die weibliche Hauptrolle spielt Halle Berry (X-Men – 2000; Bulworth – 1998; Einsame Entscheidung – 1996; Flintstones: Die Familie Feuerstein – 1994; "Boomerang" – 1992; Last Boy Scout – 1991) und die gibt ihrem männlich geprägten Regie- und Kamerateam, was die sehen wollen. Plakatmotiv (US): Passwort Swordfish (2001) Die Comicversion einer verführerischen Frau. Wir lernen sie kennen im von der Nachmittagssonne beschienen Ambiente eines staubigen Bohrfeldes, durch das sich die Silhouette eines knallroten Cabrios pflügt, während sich ein halbnackter Mann mit Golfschläger an einer improvisierten Driving Range übt: „WowWowWow!“ „Ich würde sagen: Nach dem Kerl, den die NSA früher den gefährlichsten Hacker Amerikas genannt hat, siehst Du nicht unbedingt aus“, sagt die gut aussehende Fremde im engen roten Kleid, greift sich Stanleys Golfschläger, bringt sich lasziv in Position und setzt den Schlag des Tages. Dominic Sena liefert Sexismus für beide Seiten: während der charismatische Hugh Jackman (Männerzirkus - 2001; X-Men – 2000) seinen imposanten Oberkörper ins Licht hält, streckt sie ihren eng und rot bekleideten Hintern in Position und trifft mit dem Golfball ins Schwarze, besser, als der Kerl das könnte. „Ich bin nicht hier, um Dir den Schwanz zu lutschen, Stanley.“ Ein Vorstellungsgespräch als feuchter Männertraum – später muss Stanley binnen 60 Sekunden einen komplizierten Code knacken, während Vinnie Jones ihm eine Pistole an die Schläfe hält und eine freundliche Blondine ihm einen Blow-Job liefert.

In all diese coole Comic-Macho-Welt winkt ein Kind. Stanley hat eine Tochter mit einer fragwürdigen Frau, die jetzt mit einem Pornoproduzenten liiert ist. Diese Tochter dient als Motivation für den Helden, überhaupt tätig zu werden, denn eigentlich darf der keinen Computer mehr anfassen; wenn doch, geht es zurück ins Gefängnis. Mehr passiert in dieser kaputten Familienaufstellung aber auch nicht; einmal erwähnt reicht, damit der Zuschauer Bescheid weiß, warum der sympathische Held sich auf den rätselhaften Gabriel einlässt – mal davon abgesehen, dass Halle Berry, die wenig mehr trägt, als eine Auswahl hübscher Unterwäsche, in einer Szene nicht einmal die, ihm allerlei Gründe zeigt, warum es sich zu bleiben lohnt.

Fuck Reality! Das ist, modern verkürzt, die Lehre, die Alfred Hitchcock einst im Interview mit François Truffaut an alle Filmemacher versandte. Dominic Sena hat sie sich zu Herzen genommen, vor allem aber die daraus resultierende Erkenntnis: Dein Thriller muss intelligent montiert und gefilmt sein. Und in sich logisch. Den Arbeitsauftrag, den die Travolta-Figur Gabriel für sich selbst formuliert, ist in diesen Tagen beispielhaft: Jemand müsse den Krieg, den die Terroristen entfachten, zu diesen zurückbringen. „Die sprengen eine Kirche. wir sprengen zehn. Die entführen ein Flugzeug. Wir zerstören einen Flughafen! Töten sie amerikanische Touristen, legen wir eine Stadt in Schutt und Asche. Unsere Antworten auf den Terrorismus müssen so entsetzlich sein, dass sie es nie mehr wagen, Amerikaner anzugreifen.“ Neben dem Sexismus der Produzenten, den die Halle-Berry-Figur personifiziert, offenbart sich hier auch die Haltung des US-Bürgers, der insgesamt eher nichts mit den Problemen in aller Welt zu tun zu haben glaubt; die Idee, dass arabischer Terror womöglich nur eine Antwort auf US-amerikanische Interventionen ist, hat der Film lieber nicht. Das würde die Dramaturgie dieses Films ja nur verkomplizieren.

"Swordfish" ist ein manipulativer Thriller-Kracher – laut, schnell und sich selbst nicht so ganz ernst nehmend. Action inszeniert Sena innovativ. Der Film zeigt die Detonation einer Bombe in scheinbarem 3D: Während die Wucht der Explosion sich in Zeitlupe ausbreitet, saust die Kamera im Kreis um den Explosionsherd herum. In dieser Sequenz zeigt das Digital-Effects-Department, was mit CGI (Computer Generated Image) sinnvoll heute möglich ist.

In "Swordfish" folgt Dominic Sena dem Hollywood-Motto: Beginne den Film mit einem Erdbeben und ziehe dann langsam das Tempo an!

Wertung: 5 von 6 €uro
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