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Plakatmotiv: Idiocracy (2006)
Als Komödie zu Furz und platt.
Als Social Fiction beängstigent
Titel Idiocracy
(Idiocracy)
Drehbuch Mike Judge + Etan Cohen
Regie Mike Judge, USA 2006
Darsteller

Luke Wilson, Maya Rudolph, Dax Shepard, Terry Crews, Anthony 'Citric' Campos, David Herman, Sonny Castillo, Kevin McAfee, Robert Musgrave, Michael McCafferty, Christopher Ryan, Justin Long, Heath Jones, Eli Muñoz, Patrick Fischler u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 84 Minuten
Deutschlandstart
25. Januar 2007
Inhalt

Joe Bowers arbeitet als Bibliothekar bei der Army und ist nicht unbedingt der intelligenteste Zeitgenosse. Ein optimales Versuchskaninchen also für das streng geheime Projekt des Pentagons. Ein Experiment, bei dem Menschen in einen Winterschlaf versetzt werden um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum Leben zu erwecken.

Das auf ein Jahr angesetzte Projekt gerät in Vergessenheit und Joe Bowers und die ihm damals als fruchtbare Partnerin zugeteilte Prostituierte Rita erwachen im Jahre 2505. Inmitten einer inzwischen total verdummten Menschheit und von Blödheit regierten Welt sind die beiden allen anderen mit ihrer Intelligenz haushoch überlegen.

Joe nutzt seine Chance und kandidiert bei den Präsidentschaftswahlen in Amerika …

Was zu sagen wäre

Ein für alle halbwegs mitdenkenden Menschen, für alle, die konditioniert wurden, bei Rot stehen zu bleiben und bei Grün zu gehen, befreiender Film. Ja, die Menschheit verblödet. Das wird man in einigen Jahren auch mit wissenschaftlich evozierten Zahlen untermauern können. Aber vorerst reicht die Vermutung, dass die Prämisse dieses Films scheußlich korrekt ist: Der tumbe Gorilla aus dem Trailerpark vermehrt sich unkontrolliert, während Frau und Herr Bessergestellt noch auf den richtigen Zeitpunkt für die Befruchtung warten. „Intelligenz wird von der Evolution nicht unbedingt belohnt“, sagt eine Stimme aus dem Off zu Beginn des Films. „Obschon es uns an natürlichen Feinden fehlte, setzte die Natur nun auf all jene, die sich am häufigsten reproduzierten. Die Intelligenten wurde eine vom Aussterben bedrohte Art.

DVD-Cover: Idiocracy (2006)Der Film äußert die These, dass in der modernen Gesellschaft Intelligenz und Bildung keine Selektionsvorteile sein müssen. Der Erzähler illustriert dies am Beispiel eines Akademiker-Ehepaars: Im Laufe von 15 Jahren finden sie immer wieder neue Gründe, warum Kinder nicht in ihre aktuelle Lebenssituation passen, bis schließlich der Ehemann verstorben ist. Kontrastiert wird dieses Bild durch eine chaotische Unterschichtsfamilie, die sich ungeplant und rasch vergrößert. Die Zukunftsvision des Filmes zeigt daher ein Land, in dem kritisches Denken und Bildung ausgestorben sind.

Das ist zwingend logisch: Wenn jeder Doofe zehn Kinder zeugt, die sich exponentiell vermehren, drücken diese die Eliten, die kein Kind zeugen, aus der Nahrungskette raus. „Manch einer hegte die Hoffnung, dass mit Hilfe der Gentechnologie der Trend in der Evolution noch umkehrbar sei. Doch bedauerlicherweise war die Wissenschaft nur noch damit beschäftigt, den Haarausfall zu besiegen und die Erektion zu verlängern." Wie sieht so eine Welt aus? Ein Krankenhaus mit debilem Personal und bekifften Chefärzten, eine Gerichtsverhandlung, die wirkt wie eine Vormittags-Talkshow, Nahrungsmittel-Automaten, die statt Nahrungsmitteln flotte Werbesprüche liefern.

Wir beobachten eine Art RTL-2-Publikum als Protagonisten und Bewältiger eines debilen Alltags an. Meistens sitzen sie vor dem heimischen Flatscreen und schauen sich auf dem „Gewaltkanal“ – umrahmt von jeder Menge Werbebannern – die Erfolgs-Showserie 'Aua, meine Eier' an, deren Protagonist alle paar Sekunden einen Tritt oder eine Abrissbirne oder einen Hammer in die Genitalien geschlagen bekommt. Daraufhin fällt er vom Dach und landet rittlings auf einem Lattenzaun. Der erfolgreichste Film dieses Jahres 2505 hat drei Oscars gewonnen – der Film zeigt einen nackten, haarigen Männerhintern, der hin und wieder furzt. Sonst geschieht nichts.

Die Menschheit des Jahres 2505, deren Kongress von einem Konzern mit Namen Uhmerican Exxxpress gesponsort wird, ist also komplett verblödet. Die Computer, die noch erstaunlich gut und reaktionsschnell arbeiten, tun dies autonom, bis hoffentlich nicht der Akku ausfällt. Roboter-Staubsauger, die sich im Krankenhaus unter einem Schrank festgefahren haben, putzen seit Jahren dieselben zwei Quadratmeter und melden, der Boden sei nun wieder sauber. Die Macht im Staat hat formal der Präsident, aber alle Institutionen wurden aufgekauft von einem Getränkehersteller, bei dem jeder zweite Einwohner arbeitet. Es ist der Brawndo-Konzern: „Brawndo, der Durstauslöscher, hatte Wasser inzwischen überall verdrängt. Wasser, der Grundbaustein allen Lebens, war eine ständige Bedrohung für Brawndos Gewinnspanne gewesen. Doch die große Haushaltskrise im Jahr 2330 brachte die Lösung des Problems: Die Brawndo-Corporation kaufte einfach die Nahrungsmittelbehörde, die Rundfunkaufsichtsbehörde gleich dazu. Nun konnte das Unternehmen alles sagen, tun, verkaufen, was es wollte.“ Ein Schelm, wer bei diesem Brawndo an den Nahrungsmittelkonzern Nestlé denkt, der offiziell findet, freier Zugang zu Wasser sei kein Menschenrecht.

Jedenfalls trinkt im Jahr 2505 niemand mehr Wasser, weil den Menschen rund um die Uhr entsprechende Werbebotschaften eingehämmert werden. Wasser wird nur noch zur Klospülung genutzt und hat einen entsprechend schlechten Ruf – in einer Gesellschaft, in der sich über Jahrhunderte der Plebs verbreitet hat, wir erinnern uns. Alle trinken Brawndo; auch die Pflanzen auf den Feldern: „In Brawndo steckt, was Pflanzen schmeckt – es enthält Elektrolyte!“ Deshalb sind jetzt alle Getreidefelder verdorrt. Weil offenbar niemand mehr weiß, dass Elektrolyte Salzlösungen sind, die auf Dauer den Boden ausdorren. Das ist nicht komisch. Das ist bitter.

Dieser Stoff eignet sich nicht als Komödie. Dafür ist er zu ernst. Zu nahe an einer möglichen Zukunft. „Idiocracy“ ist nicht Comedy, es ist ein Social-Fiction-Drama. Die dystopische Gesellschaft, von der der Film erzählt, die unter dem Einfluss der Konzerne nur noch an substanzloser Oberflächlichkeit und unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung interessiert ist, ist nicht komisch – komisch hieße unwahrscheinlich, übertrieben – sie ist realistisch. Denn was passiert, als der gute Joe, der in dieser Gesellschaft als „intelligentester Mensch der Welt“ gilt, die Bewässerung der Felder wieder auf Wasser umstellt? Die Brawndo-Corporation geht über Nacht bankrott und entlässt sämtliche Angestellten, 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das führt zum Aufstand der Blöden, Joe wird wieder verhaftet. Seine richtige Argumente werden auf Fox News als „schwules Gewäsch“ abgetan. Die Krone der Schöpfung schafft sich selbst ab, wenn sie längst abgeschafft ist.

Und es ist wahr: Wenn die Menschheit in Blödheit versinkt, dann sieht das aus, wie eine Reality-Soap bei RTL 2.

Wertung: 5 von 7 €uro
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