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Plakatmotiv: Nikita (1990)

Luc Besson nimmt dem
Mann das Killer-Monopol

Titel Nikita
(La femme Nikita)
Drehbuch Luc Besson
Regie Luc Besson, Frankreich, Italien 1990
Darsteller
Anne Parillaud, Tchéky Karyo, Jeanne Moreau, Jean-Hugues Anglade, Jean Reno, Philippe Leroy, Jean Bouise, Marc Duret, Patrick Fontana, Alain Lathière, Laura Chéron, Jacques Boudet, Helene Aligier, Pierre-Alain de Garrigues, Patrick Pérez, Bruno Randon, Vincent Skimenti, Roland Blanche, Joseph Teruel, Jacques Disses, Stéphane Fey, Philippe Leroy, Patrick Serrière, Iska Khan, Heike Fisher, Patrick Buiquangda, Eddie Gaydu, Jose Steinmann, Philippe Hernando, Gérard Touratier, Jean Bedin, Edith Perret, Jean-Pierre Pauty, Michel Campa, Murray Gronwall, Pierrick Charpentier u.a.
Genre Thriller
Filmlänge 117 Minuten
Deutschlandstart
28. Juni 1990
Inhalt

Nikita, eine drogensüchtige junge Frau, begeht mit Freunden einen nächtlichen Einbruch in eine Apotheke, um sich Drogen zu verschaffen. Als zuerst der Eigentümer und kurz darauf ein Einsatzkommando der Polizei auftauchen, entwickelt sich eine Schießerei, bei der der Apotheker, Nikitas Freunde und mehrere Polizisten getötet werden. Nikita tötet dabei einen Polizisten vorsätzlich und wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Plakatmotiv: Nikita (1990)Eine Spezialabteilung des Geheimdienstes, das Zentrum, täuscht daraufhin ihren Suizid samt öffentlichem Begräbnis vor, während sie in Wahrheit in ein geheimes Ausbildungszentrum gebracht wird. Ihr späterer Ausbilder zeigt ihr zum Beweis Fotos von der inszenierten Beerdigung, auf denen sie zu ihrem Entsetzen ihre um sie trauernden Freunde erkennt. Vor die Wahl gestellt, nun tatsächlich in diesem Grab zu landen oder „dem Land zu dienen“, wird sie als Spezialagentin und Auftragsmörderin für den Staat ausgebildet.

Nach jahrelanger brutaler Ausbildung in Gefangenschaft wird sie gezähmt und als Kampfmaschine ausgebildet wieder ins Leben entlassen. Als verdeckte Agentin soll sie ein unauffälliges Leben führen und auf Abruf für gefährliche Aufträge aller Art bereitstehen. Alsbald verliebt sie sich in den Supermarktkassierer Marco und muss erkennen, dass ihr der Staat nur scheinbar die Chance auf ein besseres Leben verschafft hat. Während sie verzweifelt versucht, mit ihrem Freund ein normales Leben zu führen, wird es zusehends schwieriger, ihre regelmäßigen Mordaufträge vor ihm geheim zu halten, was zu zahlreichen Verwicklungen führt …

Was zu sagen wäre

Gut und Böse, Recht und Unrecht sind immer eine Frage der Perspektive. In Luc Bessons Film hat Nikita einen Polizisten getötet und einem weiteren einen Bleistift in die Hand gestochen. Sie stand allerdings unter Drogen und war nicht so richtig zurechnungsfähig zu der Zeit. Die Staatsgewalt andererseits ist immer zurechnungsfähig (wenn sie, was im Kino, im französischen zumal, ja auch bisweilen vorkommt, nicht durch und durch korrupt ist). Hier ist sie emotionslos, was dem Normbürger im Kinosessel ja auch gefällt, der vor dem Gesetz alle gleich haben möchte, oder in Person des von Tchéky Karyo gespielten Agenten, verschlagen, was der Normbürger im Kinosessel auch schon immer befürchtet hat.

Karyo verkörpert die Ambivalenz des kalten Staates. Er ist kalter Kommandeur und verzweifelter Mensch im selben Moment. Und so kommen Nikita und der Normbürger im Kinosaal zusammen: über dieses diffuse Gefühl, dass nicht alles recht ist, was in einem Rechtsstaat Recht ist. Plakatmotiv: Nikita (1990) Nikita hat die Sympathien auf ihrer Seite, trotz der Scheiße, die sie angestellt hat – zumal sie mit bürgerlichem Namen den unschuldigsten aller Namen trägt: Marie.

Eingeführt wird dieses durchtriebene Unschuldslamm in die neue Welt aus Gewalt und Eleganz von Jeanne Moreau, die wenigstens seit Truffauts "Jules und Jim" (1961) das Sinnbild der befreiten Frau im französischen Kino darstellt. Sie führt die an sich eher unschuldige Marie in ein Leben als Frau ein – Luc Besson findet dafür ein schönes Bild, indem er beide Frauen nebeneinander in einen Spiegel blicken lässt, während sich Marie umstylt, Alt und Jung in verschwörerischer Zweisamkeit: „Lass dich von dem großen Vergnügen leiten; von dem Privileg eine Frau zu sein. Atemberaubend. Es gibt zwei Dinge, die darfst Du nie vergessen: Die Macht der Weiblichkeit und die Möglichkeit sie zu benutzen.“ Das ist französisches Kino pur und währenddessen kreist Marie mit rosa Lippenstift um ihre Lippen herum; der Score gemahnt ein wenig an die Bilitis-Erotik der 70er Jahre; Besson ist ein Grabräuber im Reich verstorbener Kinoklischees.

Neu an diesem französischen Kino, das unter Action bislang Lino Ventura, Alain Delon oder Jean-Paul Belmondo verstand, ist die Hauptfigur und die an die Moderne angepasste Ästhetik. Die Gewalt ist hart, die Schnitte schnell, die Protagonisten kompromisslos. Nur die Story ist aus dem guten alten Geheimdienstbaukasten.

Anne Parillaud spielt exzellent die naive Elfe, die aus Eigennutz zur Killerin mutiert. Es bleibt der Staat, der in dieser Normbürger-Perspektive der eigentliche Killer ist. Und so wandelt sie sich auf der Suche nach dem einfachen Leben zur perfekten Tötungsmaschine, die zwischen den Kills professionell, das heißt: perfekt abtaucht.

Es ist eine neue Figur im kommerziellen Kino – eine Frau als Profikiller. Besson ("Im Rausch der Tiefe" – 1988; Subway – 1985) gibt seiner Figur alle Stolpersteine mit, die so eine Figur im Kinoalltag braucht. Wo Männer einfach schießen würden, müssen Bessons Frauen eine harte Schule durchlaufen und dürfen am Ende auch nicht in den Sonnenuntergang reiten sondern verschwinden einfach. Der Chauvi-Blick auf die Männer mordende Frau bleibt.

Wertung: 8 von 10 D-Mark
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