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Plakatmotiv: Last Man Standing (1996)

Langsam, lakonisch,
hart und brutal

Titel Last Man Standing
(Last Man Standing)
Drehbuch Walter Hill
nach einer Geschichte von Ryûzô Kikushima & Akira Kurosawa
Regie Walter Hill, USA 1996
Darsteller

Bruce Willis, Bruce Dern, William Sanderson, Christopher Walken, David Patrick Kelly, Karina Lombard, Ned Eisenberg, Alexandra Powers, Michael Imperioli, Ken Jenkins, R.D. Call, Ted Markland, Leslie Mann, Patrick Kilpatrick, Luis Contreras u.a.

Genre Action
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
31. Oktober 1996
Inhalt

Das Jahr 1931. Jericho, Texas. Ein schmutziges, staubiges Kaff an der mexikanisch-texanischen Grenze. Die Zeit der amerikanischen Prohibition. Zwei Gangsterbanden haben hier das Sagen und schicken jeden in die Wüste, der ihren Geschäften im Weg steht. Die restlichen Einwohner verkriechen sich in ihren Häusern.

An einem trockenen, staubigen Tag kommt ein Fremder in die Stadt. John Smith. Er wird nicht willkommen geheißen. Gangster demolieren sein Auto, weil er einen Blick auf die Geliebte ihres Anführers Doyle geworfen hat, einer von zwei Gangsterbossen der Kleinstadt.

Der Sheriff ist korrupt und machtlos. Also sorgt Smith auf eigene Rechnung für einen Ausgleich. Er erschießt einen der Gangster. Die anderen ergeben sich. Smith kapiert, dass er es nur mit Kleinstadtganoven zu tun hat.

Er versucht, die beiden Schnaps schmuggelnden Banden von Doyle und dessen italoamerikanischem Rivalen Strozzi gegeneinander auszuspielen. Dazu wechselt er mehrfach die Seiten und versucht, auf diese Weise möglichst viel Geld zu verdienen. Da ruft der gewaltsame Tod eines korrupten Grenzbeamten den zuständigen Kommandeur der Texas Rangers auf den Plan. Captain Tom Pickett erklärt Smith, dass er im Sinne der öffentlichen Ordnung maximal eine Bande in der Kleinstadt dulden wird und kündigt an, in zehn Tagen mit einer größeren Einheit zurückzukehren und, sofern es dann noch zwei Banden gibt, beide auszuschalten. Ansonsten gibt er Smith freie Hand, er sollte aber bis dann im eigenen Interesse ebenfalls aus Jericho verschwinden. Eine Freude für den örtlichen Bestattungsunternehmer.

Mit einem Täuschungsmanöver spielt Smith beide Seiten gegeneinander aus. Die Folge: Showdown in der flirrenden Hitze Texas‘ …

Was zu sagen wäre

Der Stoff wirkt, als habe Walter Hill seine ganze Karriere auf diesen Film gewartet: ein staubiges Kaff in Nirgendwo, wortkarge Männer, jede Menge Waffen und ein letzter Rest Moral. Hill inszeniert eine neue Version des Akira-Kurosawa-Klassikers "Yojimbo". Und nicht nur das. "Yojimbo" ist der Samurai-Film, den 1964 schon Sergio Leone mit Für eine Handvoll Dollar als Western neu gedacht hat. Der Vergleich mit dem japanischen Original ist legitim und interessant für Filmstudenten. Er versperrt aber die Sicht auf Walter Hills Version.

Hill liebt das Westernmotiv des lonesome Cowboy ("Wild Bill" – 1995; Geronimo – Eine Legende – 1993; Und wieder 48 Stunden – 1990; Johnny Handsome – 1989; Red Heat – 1988; Ausgelöscht – 1987; Straßen in Flammen – 1984; Nur 48 Stunden – 1982; Die letzten Amerikaner – 1981; Long Riders – 1980; Die Warriors – 1979; Driver – 1978) – eine kleine Stadt, die Hauptstraße, flirrende Hitze; Hill hat lediglich Pferde gegen optisch ansprechende Oldtimer getauscht. Die Stadt im Nirgendwo zwischen Irgendwo und der mexikanischen Grenze ist undefiniert. Die Gangster sind MacGuffins. Inhaltlich sind sie mit nicht näher bezeichneten Großbanden in Chicago und New York verbunden, aber das spielt für den Verlauf der Handlung keine Rolle. Sie dienen der Regie dazu, die Handlung in Gang zu setzen. Der Mann, der kommt, hat keinen Namen. Bei Leone blieb das so, der Fremde ohne Namen wurde einer der bekanntesten Namen der Westerngeschichte. Plakatmotiv (US): Last Man Standing (1996) Bei Hill nennt er sich John Smith. Auch er eine Funktionsfigur, ein Mann, der bleibt, wo er ein paar Dollar verdienen kann, ein MacGuffin. Hills Script blendet alles aus, was echtes Leben in die Bude bringen könnte, ist fokussiert auf das Wesentliche und das lautet: Was passiert, wenn Männer aufeinander treffen und in Streit geraten? Es ist ein unablässiges Posen, Angeben, Machtgetue und Gefuchtel mit Waffen.

"Last Man Standing" ist ein brutaler Film. Spätestens, wenn Christopher Walken (Pulp Fiction – 1994; True Romance – 1993; Batmans Rückkehr – 1992; James Bond 007 – Im Angesicht des Todes – 1985; Dead Zone – 1983; Projekt Brainstorm – 1983; Heaven's Gate – 1980; Die durch die Hölle gehen – 1978; Der Stadtneurotiker – 1977) John Smith zu Brei schlagen und zum Sterben zurück lässt, zieht es im Nasenrücken. Aber dieser John Smith ist ein Meister der zwei Pistolen. Wo bei Kurosawa Männer mit Schwertern in wild choreografierte Kämpfe zogen, fliegen hier die Kugeln, treten Männer mit Maschinengewehren gegen Männer mit Pistolen an. Und die Waffen, die John Smith in der Hand hat, schießen am längsten und treffen am sichersten. Dass die bösen Buben auch aus zwei Metern Entfernung ihr Ziel nicht treffen, ist ein wiederkehrendes Absurdum im amerikanischen Actionkino. In diesem Fall des artifiziellen Erzählens passt es zum künstlichen Ambiente.

John Smith wird gespielt von Bruce Willis, der sich in den zurückliegenden Jahren in vielen Rollen vor der Kamera ausprobiert hat (12 Monkeys – 1995; Stirb langsam – Jetzt erst recht – 1995; Nobody's Fool – 1995; "Color of Night" – 1994; Pulp Fiction – 1994; Tödliche Nähe – 1993; Der Tod steht ihr gut – 1992; The Player – 1992; Last Boy Scout – 1991; "Billy Bathgate" – 1991; Hudson Hawk – 1991; "Tödliche Gedanken" – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Stirb Langsam 2 – 1990; Stirb langsam – 1988; "Sunset – Dämmerung in Hollywood" – 1988; Blind Date – 1987). Hier erweitert er sein Spektrum um den hartgesottenen Killer, ein Mann von fragwürdiger Moral und Vergangenheit, der aus irgendeinem Grund sein Herz entdeckt, ansonsten aber wenig redet, jedenfalls nicht vor der Kamera. Seine Dialoge sind knapp bemessen. Dafür redet er aus dem Off ununterbrochen. Und meistens Überflüssiges. Er beschreibt staubige Straßen und windschiefe Häuser während die Kamera uns staubige Straßen und windschiefe Häuser zeigt. Er spricht von schwachen Männern, die sich aufplustern und den dicken Boss markieren, wenn er sie im nächsten Augenblick alle erledigt.

Die Stimme aus dem Off wirkt wie ein Fremdkörper, womöglich von misstrauischen Studiogewaltigen erzwungen, die dem ursprünglichen Script nicht recht getraut haben. Denkt man sich die Stimme des plötzlich redefreudigen John Smith als Erzähler weg, braucht man hier und da mal zwanzig Sekunden länger, um eine Situation auf der Leinwand zu durchdringen. Aber dem an sich ruhig erzählten Drama wäre geholfen; dem Film in seiner ganzen Künstlichkeit sowieso.

Treiben wir die Künstlichkeit des Films auf die Spitze, ergibt aber sogar der Off-Text Sinn. Er symbolisiert die Trompeten, mit denen die Schutzmauern des biblischen Jericho zum Einsturz gebracht wurden. John Smith hat mit seiner Erzählung aus dem Off sein vom Texas Ranger Tom Pickett auferlegtes Soll voll erfüllt. Als er den Film verlässt, ist Jericho, Texas nur noch eine Geisterstadt.

Wertung: 8 von 11 D-Mark
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