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Kinoplakat: Kill Bill, Vol. 2

Kino ist Tarantino ist Kino ist
Tarantino ist Kino ist Tarantino

Titel Kill Bill: Vol. 2
(Kill Bill: Vol. 2)
Drehbuch Quentin Tarantino + Uma Thurman
Regie Quentin Tarantino, USA 2004
Darsteller

Uma Thurman, Lucy Liu, Vivica A. Fox, Daryl Hannah, David Carradine, Michael Madsen, Julie Dreyfus, Chiaki Kuriyama, Shin'ichi Chiba, Chia-Hui Liu, Michael Parks, Michael Bowen, Jun Kunimura, Kenji Ohba, Yuki Kazamatsuri u.a.

Genre Action
Filmlänge 137 Minuten
Deutschlandstart
22. April 2004
Website kill-bill-volume-2.com
Inhalt

Ein Stück Wüste. Irgendwo bei El Paso, Texas. Bill trifft seinen Bruder Budd; informiert ihn, dass die Braut unterwegs sei, ob er, Budd, etwas gehört habe. Nein, schüttelt der Verständnis für die Killerin tragend, den Kopf. Ein paar Stunden später ist Budd seinen Job los, weil er wieder mal zu spät war. Dafür liegt die Braut vor ihm.

Budd hat ihr eine Ladung verpasst. Und dann begraben. Neun Fuß tief. Den Sarg hat er zugenagelt. Und dann ordentlich Erde drauf. Dann hat er Elle angerufen (die mit der Augenklappe). Er habe ein Schwert für sie. Ein echtes Hattori Hanzo. Eine Million will er haben. Elle stimmt zu. Wieder ein paar Stunden später. Aber immer noch in dem Stück Wüste. Irgendwo bei El Paso, Texas. Elle kommt, um das Schwert abzuholen. Im roten Koffer die Million. Im intakten Auge die gebührende Bewunderung, die Braut „unter die Erde” gebracht zu haben. Dabei hat die Braut sich längst befreit. Was die beiden Arschlöcher irgendwo bei El Paso nicht ahnen. Aber sehr bald und – zum Teil jedenfalls – sehr schmerzhaft, bzw. tödlich erfahren werden.

Und natürlich steht die Braut irgendwann ihm gegenüber, Bill! Der hat sie nicht nur erwartet. Der hat auch eine Überraschung für die Braut … die zu diesem Zeitpunkt dann doch endlich auf einen Namen hört …

Was zu sagen wäre

Hast Du das Schwert noch?
Nein.
Du hast es nicht mehr??
Hab's versetzt.
Ein echtes Hattori Hanzo?? Das ist unbezahlbar!
Nicht in El Paso. Hier habe ich 250 dafür gekriegt.

Schöne Dialoge - Großes Epos

Was für ein Film. Was für ein Soundtrack. Was für eine Story. Was für eine Uma Thurman. Quentin Tarantino nutzt Vol. 2, um seine Alles-so-viel-Blut-hier-Kritiker zu beschämen. Statt wieder Rot zu sehen, hören wir kunstvoll elaborierte Tarantino-Film-Dialoge, die tatsächlich eigenes Leben entfalten in diesem Film. Kinoplakat: Kill Bill, Vol. 2 Manches, was nach wirtschaftlich landläufiger Meinung nicht funktionieren kann, gelingt hier in Perfektion: lange Monologe, die die momentane Spannung nicht nur halten, sie sogar steigern.

Vol. 1 war das Comic. "Vol. 2" ist das Drama. Es liegt in der Natur des Finales, dass es einen Hauch Melancholie verbreitet. etwas geht zu Ende. Figuren, an die wir uns gewöhnt haben, verlassen unseren Kosmos wieder. Allerdings ist der zweite Teil von Tarantinos Rache-Saga länger als der erste. Es wäre also Zeit für ein bisschen mehr Comic. Aber Comic ist vorbei. Auftritt Michael Madsen als Budd, Bruder von Bill, in Unfrieden getrennt (James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag – 2002; Species – 1995; "Wyatt Earp – Das Leben einer Legende" – 1994; Reservoir Dogs – 1992; Thelma & Louise – 1991; The Doors – 1991). Ein Loser. Gerade noch haben wir Sympathie für den runtergekommenen („Hey, ich bin Rausschmeißer in einer Titten-Bar!”), versoffenen Typen, den sein Chef vor einer zugelosten drei-Dollar-Nutte demütigt, da zieht Budd seine andere Saite auf. Madsen ist einer dieser Nebenrollen-Besetzungen, die einem Film Profil geben. Sein Budd ist der geprügelte Hund, der sich in dieser Rolle eingebürgert hat, das heißt, der auch mit allen anderen Menschen, die schwächer sind als er, entsprechend umgeht. Er ist der unberechenbare Faktor und wird zum grausamen Zentrum des "Vol. 2".

Der großartige Auftritt des Michael Madsen

Wir haben "die Braut" kennengelernt als unüberwindbare Kämpferin gegen ihresgleichen. alle Profikiller, die sich ihr in den Weg gestellt haben, hat sie erledigt. Budd, den Michael Madsen als illusionslosen Verlierer spielt, der halt so lange lebt, bis er stirbt, bezwingt die Profikillerin im Handumdrehen; eine Mischung aus Instinkt, Bauernschläue und dem Glück im richtigen Moment. Als er die Frau wehrlos vor sich liegen hat, ist da keine Empathie, kein Interesse an dem, was seit den gemeinsamen Zeiten passiert ist, keine Sekunde, die darauf hindeutete, dass er aus alter Verbundenheit der Braut eine Chance gibt. Nein, statt dessen weidet er sich an ihrer Wehrlosigkeit und wirft er sie in einen grob gezimmerten Sarg und begräbt sie lebendig sechs Fuß unter der Erde.

Dies ist nicht der comic-bunte Teil der Rache-Geschichte. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob sich hier nicht die Lust am Storytelling verliert hinter einer dunklen, sadistischen Lust des Regisseurs, sich an wehrlosen Frauen zu ergötzen. Zusammen mit Michael Madsens diesbezüglich herausragender Performance kriege ich den Gedanken bei mancher Einstellung der verzweifelten Braut in ihrem Verlies nicht schnell genug aus meinem Kopf.

Dies ist der Teil mit den dunklen Tönen. Als also die Braut lebendig begraben wird, erleben wir das im Kinosessel aus ihrer Perspektive. Sehen, wie das Licht in der Kiste schwindet, während irre laut ein schwerer Nagel nach dem andern durch den Sargdeckel getrieben wird. Wir hören die panisch hektische Atmung der Braut, hören weitere Nägel – diese vielen gigantisch anmutenden, weil in Macro-Optik gefilmten Nägel, die ins Holz getrieben werden, das nimmt auch dem Kinozuschauer jede Hoffnung, dass da noch irgendwas zu retten ist – und in der Schwärze kaum zu unterdrückende Panik, dann Erdklumpen, die auf die Kiste fallen, mehr Erdklumpen und diese Szene dauert unerträglich lang. Dafür dass ich im Kino sitze und einem Medium folge, das sich über Bilder definiert, bin ich hier in einer Szene ohne jedes Bild maximal angespannt. Dann höre ich noch, wie die "Totengräber" wegfahren. Und dann herrscht Stille in Schwarz. Quentin Tarantino zeigt hier sein Verständnis vom alle Sinne erfassenden Kino, das so klar zuletzt James Cameron mit Terminator 2 und Titanic definiert hat. Na klar ist es unwahrscheinlich, dass ich in einer Kiste sechs Fuß unter der Erde noch hören kann, wie ein Auto wegfährt. Aber nicht nur bin ich so gefesselt, dass ich darüber gerade nicht nachdenken kann, das sich entfernende Auto unterstreicht die endgültige, die ausweglose Einsamkeit, in der die Braut nun sterben wird. In der Stille. In der Schwärze. Mehrere tage lang. ausweglos.

Ein Shaolin-Mönch ist zu Gast

Ohne weitere Erklärung erzählt Tarantino uns dann eine ganz andere Geschichte. eine von früher, als Bill und Kiddo (wie sie mittlerweile häufiger genannt wird) sich noch nicht lang kannten und er sie in die Lehre eines chinesischen Mönches schickte. Diese Geschichte hat wieder was vom geist des Vol. 1, ist unterhaltsam, abwechslungsreich, gespickt mit aus dem asiatischen Kampfkino bekannten Absolut-unmöglich-Kampfszenen und einem komischen Shaolin-Mönch, den natürlich nicht irgendeiner spielt. Tarantino hat sich für die Rolle dieses weißhaarigen, langbärtigen Unbesiegbaren Gordon Liu geholt, in Filmkreisen berühmt für seine Rolle des Shaolin-Mönchs San Te in dem Film "Die 36 Kammern der Shaolin". Mit diesem Mann kehren wir in die dunkle Kiste zurück zu Kiddo, kehren zurück in die Sonne und erleben, wie bald auch die letzten beiden Hindernisse auf ihrem Weg zu Bill aus dem Weg geräumt sind. Kinoplakat (US): Kill Bill, Vol. 2 Dass Michael Madsens Budd so elendig zugrunde geht, wie das Leben war, in dem wir ihn kennengelernt haben, unterstreicht die Qualität des Drehbuchs.

Schließlich stehen sie sich gegenüber: Die Braut, die Beatrix Kiddo heißt, und Bill. Also erwarten alle den harten Showdown. Wieder überrascht uns Tarantino in all seiner Kinoseligkeit mit menschlichen Dimensionen in seinen Comicfiguren, aus denen dieses Attentatskommando Tödliche Viper letztlich besteht. Schon der letzte Satz aus Vol. 1 hatte angedeutet, dass ihr Kind das Hochzeitsmassaker überlebt haben müsste. Und so ist es. Das Aufeinandertreffen von Kiddo und Bill, unterbrochen von einem niedlichen, knapp fünf Jahre alten Mädchen, ist berührend. Von da an ist der Showdown klassischer Prägung zu den Akten gelegt, beiseite geschoben für einen, in dem wieder viel geredet wird, was die Szene aber noch spannender gestaltet und dem Film aber noch mehr Tiefe gibt.

Samuel L. Jackson als bescheidener Gast

Uma Thurman als Kiddo ist groß (Paycheck – 2003; Vatel – 2000; Sweet and Lowdown – 1999; Mit Schirm, Charme und Melone – 1998; Les Misérables – 1998; Gattaca – 1997; Batman & Robin – 1997; Lügen haben lange Beine – 1996; Pulp Fiction – 1994; Jennifer 8 ist die Nächste – 1992; Eiskalte Leidenschaft – 1992; Die Zeit der bunten Vögel – 1990; "Gefährliche Liebschaften" – 1988). Ein Gesicht voll Leid, Trauer, Hass und cooler Entschlossenheit. Und zum Showdown besitzt sie die Eleganz, in einem himmelblauen Carman Ghia Cabrio vorzufahren. Der Showdown zwischen Beatrix und Bill ist überraschend kurz und anders, als wir nach den vorherigen Orgien hätten erwarten wollen. David Carradine als Bill ist angemessen old fashioned, vordergründig edelmütig (Ein Vogel auf dem Drahtseil – 1990; Long Riders – 1980; U-Boot in Not – 1978; Cannonball – 1976; "Frankensteins Todesrennen" – 1975; Hexenkessel – 1973). Tarantino hat ihm einige Szenen geschenkt, in denen er in 0,173 Sekunden seine Natternhafte Gefährlichkeit unter Beweis stellen kann. Daryl Hannah als einäugige Killerin Elle Driver ist etwas eindimensional, aber das passt zur Rolle (The Gingerbread Man – 1998; Two Much – eine Blondine zu viel – 1995; Jagd auf einen Unsichtbaren – 1992; Wall Street – 1987; Roxanne – 1987; Staatsanwälte küsst man nicht – 1986; Splash: Jungfrau am Haken – 1984; Blade Runner – 1982; Teufelskreis Alpha – 1978). Ihre boshaften Momente liefert ihr das Drehbuch. Und dann gibt es da noch diesen Kirchenorganisten. Eine Szene bei der Hochzeitsprobe, bei der sich der erfahrene Kinogänger fragt, ob der Typ da im Hintergrund, der so einen auffällig unauffälligen Auftritt hat, nicht irgendein Megastar ist, der es cool findet, in einem Tarantino-Movie dabei zu sein. Und im Abspann liest man dann „… Samuel L. Jackson“.

Großartiges Kino! Es liefert die notwendige Tiefe zu dieser Rachegeschichte, die in Vol. 1 noch als überzeichneter Blutspritz-Comic daher kam und ein sehr ordentliches Movie war. Beide Volumes zusammen gesehen liefern ein großes Epos über Liebe, Verrat, Hass und Unterordnung – ein Epos über das (Kino-)leben an sich und mit Augenzwinkern (mit dem Kiddo Thurman den Film beendet).

Tarantinos Kino kommt aus dem Kino, das das Kino zitiert. Tarantino ist zuständig für die Filme, die sich aus Filmen speisen, aus deren Bildsprache, deren Dramaturgie, deren Musik. Diese Filme sind deshalb so großartig, weil sie ohne rot zu werden tun dürfen, was sich kein Regisseur, der als Auteur ernst genommen werden möchte, traut. Einfach die Inszenierung des Gefühls als das Gefühl präsentieren. Wie Kinder (oder junge Filmemacher) halt so sind. Bis sie erwachsen werden.

Wertung: 6 von 6 €uro
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