Buchcover: Nick Hornby – A long way down
Wunderbar leichte Erzählung, die
einem schweren Thema gerecht wird
Titel A long way down
(A long way down)
Autor Nick Hornby, UK 2005
aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann
Verlag Knaur
Ausgabe Taschenbuch, 380 Seiten
Genre Drama, Komödie
Website nickhornby.com
Inhalt

Silvester, auf dem Dach eines Hochhauses: Pech, dass gleich vier Menschen auf die Idee gekommen sind, sich dort das Leben zu nehmen. Da man sich schlecht umbringen kann, wenn einem andere dabei zusehen, steigt die seltsame Gruppe erst mal vom Dach, um das Problem der jüngsten Kandidatin, die nicht weiß, warum ihr Freund sie verlassen hat, zu lösen.

Nach und nach erzählen sie sich ihre Geschichten. Da ist die altjüngferliche Maureen, deren Sohn Matty schwerstbehindert ist und die diese Belastung allein tragen muss – da ist Martin, der berühmte Talkmaster, den nach einem Gefängnisaufenthalt niemand mehr auf dem Bildschirm sehen will – Jess, die aufmüpfige Tochter eines Politikers, ist so direkt, dass sie alle vor den Kopf stößt – und JJ, der von seinem besten Freund, dem Sänger seiner Band, im Stich gelassen wurde.

Die vier verabreden, mit dem finalen Sprung bis zum Valentinstag zu warten …

Was zu sagen wäre
A long way down

Was für eine Ausgangssituation: Ein Thema, mit dem ich mich immer wieder mal beschäftige – in Literatur, Leben, Musik und Film. Der Roman hat vier Ich-Erzähler. Erzähler sind die Sprungkandidaten selbst. Fantastisch, wie Hornby dabei jeweils die Sprache verändert.

  • Martin, der populäre Frühstücksfernsehmoderator, dessen Ausflug ins Bett einer 15-Jährigen dazu führte, dass die Scheinwerfer für ihn endgültig ausgingen, erzählt in abgeklärter, bildhafter Sprache.
  • Die altjüngferliche Katholikin Maureen, die beim einzigen „Fehltritt“ ihres Lebens ein Kind zur Welt brachte, das seitdem im Wachkoma dämmert, erzählt schüchtern, zurückhaltend, ihrem Motto entsprechend, dass sie mit ihrem Leid niemandem die Laune verderben wolle. Die rotzfreche Jess, für die der Selbstmord wegen eines Kerls einfach nur ein geiler Abgang zu sein scheint, ist eine wunderbare Fundgrube lesbarer Sprechtexte. Schließlich JJ, der Rockmusiker mit Karriereknick, der sich vor sich selbst schämt, seinen Platz im Leben sucht und so auch erzählt: sprunghaft, rotzig, dann wieder höflich

In JJ verkörpert sich Hornby wohl am deutlichsten - neben Maureen und ihrem kranken Kind, ein Schicksal, das der Autor teilt.

Keinier der Vier langweilt. Keiner ist uninteressant. Selbst Jess, die gerade 18 ist und eine furchtbare Giftspritze, rührt mich.

Es spielt keine Rolle, ob am Ende dann vielleicht doch eine/r springt. Darum geht es nicht. Hornby gelingt in faszinierend griffiger Sprache, das Für und Wider eines Suizids zu diskutieren, ohne einen moralischen Zeigefinger drüberzulegen. Statt dessen musste ich mehrfach laut lachen, so lebensecht sind Hornbys Figuren, so nachvollziehbar die Todessehnsucht jedes Einzelnen und ebenso nachvollziehbar die Erkenntnis, dass es individuell Gründe gibt, aus dem Leben zu scheiden. Aber eigentlich genauso nicht, denn „das“ kann in der Tat nächste Woche schon wieder ganz anders aussehen.

Der Suizid dürfe nicht Gegenstand ironischer Betrachtung werden, schreiben Gegner des Romans. „Eine leichte, amüsante Lektüre sei kaum geeignet, Licht auf das wirkliche Leid von Menschen zu werfen“, merkte ein britischer Amazon-Leser an. Hornby konterte, ein depressives Buch über Depressionen hätte wohl niemanden sonderlich angemacht. Hornby schafft es, das todernste Thema von seinem schwierigen Sockel zu schubsen und dann zu gucken, was da eigentlich hinter steckt, wenn einer springen will.

Schön erzählt, witzig geschrieben, klug beobachtet.

Ich habe vom 29. September bis 14. Oktober 2009 gelesen.