IMDB
Kinoplakat: Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1
Der Anfang vom Ende als
Tiefpunkt der Serie
Titel Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1
(Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 1)
Drehbuch Steve Kloves
nach dem gleichnamigen Roman von Joanne K. Rowling
Regie David Yates, UK, USA 2010
Darsteller Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Bill Nighy, Richard Griffiths, Harry Melling, Julie Walters, Bonnie Wright, Ian Kelly, Michelle Fairley, Fiona Shaw, Alan Rickman, Carolyn Pickle, Ralph Fiennes, Helena Bonham Carter, Robbie Coltrane, Brendan Gleeson, Michael Gambon, James Phelps, Oliver Phelps, Helen McCrory, Jason Isaacs, Tom Felton, Timothy Spall, Graham Duff, Peter Mullan u.a.
Genre Fantasy
Filmlänge 146 Minuten
Deutschlandstart
17. November 2010
Website carlsen-harrypotter.de
Inhalt

Das Böse ist in der Welt. Der Zaubereriminister ermordet. Du-weiß-schon-wer sammelt seine Schergen. Die Schüler können nicht mehr nach Hogwarts zurück. Krieg ist ausgebrochen. Voldemorts Magier machen Jagd auf die Schlammblüter, jene Hexen und Zauberer, die nicht reinen Blutes, nicht aus der Verbindung von Hexe und Zauberer hervorgingen. Schlammblüter wie Hermine Granger. Sie zaubert ihren Eltern die Erinnerungen an sie weg und verlässt traurig ihr Zuhause. Alle treffen sich im leer geräumten Haus der geflüchteten Dursleys, um Harry Potter sicheres Geleit ins gemeinsame Versteck zu bieten. Aber das sichere Geleit wurde verraten. Nicht alle schaffen es ins Versteck. Das Sterben der Verbündeten beginnt.

Teaserplakat: Harry Potter – HP7

Harry, Hermine und Ron machen sich auf die Suche nach Horkruxen, den Einzelteilen der Seele Voldemorts, die dieser wohlweislich über das ganze Land versteckt hat, um sich im Falle seines Ablebens mittels dieser Horkruxe rebooten zu können. Die drei Freunde wissen nicht, wo sie mit der Suche beginnen sollen, also müssen sie ins Zaubereiministerium; dort hat sich einerseits das Böse eingenistet und gilt, andererseits, Harry Potter als der Staatsfeind Nr. 1. Die drei finden den ersten Horkrux und disaparieren in die Wälder.

Nun wissen sie nicht weiter und wäre nicht Hermine, die beiden Jungen alleine wären ohne die wissbegierige Zauberin, die Flüche für alle Lebenslagen bereit hält, aufgeschmissen. Allerdings reagiert Ron zunehmend eifersüchtig auf den vertrauten Umgang Harrys mit Hermine. Was auch an dem gefundenen Horkrux liegt, der sich zwar nicht zerstören lässt, dafür aber offenbar in der Lage ist, schlechte Stimmung zu potenzieren …

Was zu sagen wäre

Der bisherige Tiefpunkt der Zauberserie … und ein Paradebeispiel für die hilflos allein auf den kommerziellen Gewinn ausgerichtete Kinoindustrie.

Was die Macher hier verfilmt haben, ist die geschwätzige erste Hälfte des 767 Seiten starken Finales der Potter-Saga. Darin geht es vor allem um die Psychologie der Figuren, ihr neues Stellungsspiel draußen in der Wildnis – abseits von Hogwarts, abseits der sie beschützenden Professoren, abseits eines einigermaßen sicheren Lebens – auf sich allein gestellt. Psychologie, innere Konflikte statt äußerer Action sind aber der natürliche Feind des kommerziellen Kinos. Die früheren Verfilmungen umgingen das Problem, indem sie die magische Handlung in den Vordergrund stellten und innere Konflikte nur andeuteten – war Harry verliebt, gab es einen hölzernen Kuss und dazu eine komische Dialogzeile von Ron – und gut war; sollte Harry panische Angst zeigen, machte Daniel Radcliff stumm große Augen.

Wirtschaftskrise in Potterwood

Die Magie der ersten Hälfte des Romanfinales hält sich allerdings in Grenzen. Das meiste ist Rätseln über die Horkruxe, Pläne schmieden, verstecken, sich streiten und wieder vertragen. Unter normalen Umständen hätten die Produzenten das in 30 bis 45 Filmminuten zusammgefasst und wären dann im optisch weitaus reizvolleren zweiten Teil des Finales gewesen und am Ende hätte der Film 180 Minuten gedauert – das ist bei Längen von 150 und 160 Minuten bei den anderen Potter-Filmen dann auch nicht mehr zu lang. Und er hätte echt gut werden können – unter dem Vorbehalt, das Kinofilme von David Yates niemals wirklich gut sind („Gut” im Sinne von kreativem Kino).

Aber die wie alle anderen Studios unter der Wirtschaftskrise kränkelnde Warner Bros. bekamen Torschlusspanik und kalkulierten das Finale der endlichen Gelddruckmaschine namens „Harry Potter” als Zweiteiler. Offizielle Begründung: Nur so könne man dem umfangreichen Buch auch wirklich gerecht werden. Diese Aussage ist Quatsch: Band 5 etwa, Der Orden des Phönix, hat 1021 Seiten. Seine Verflimung ist mit 138 Minuten die kürzeste der Serie; drei Minuten länger ist Teil 3, Der Gefangene von Askaban, aber dafür ist die Romanvorlage auch nur 447 Seiten dünn. Und hier brauchen die Macher plötzlich für 380 Seiten 146 Minuten? Nein, es waren rein monetäre Interessen, die das Studio zum Zweiteiler trieb – der Pottersche Geldfluss sollte nicht ganz so schnell austrocknen. Und was passiert, wenn künstlerische, dramaturgische Punkte bei der Filmarbeit keine Rolle mehr spielen, zeigt dieser Film exemplarisch, der im modernen GZSZ-, DSDS-Jugend-Abkürzungswahn allen Ernstes als „HP7” verkauft wird – als wäre der Zauberer ein Drucker der nächsten Generation.

Einfallslos jede Buchseite einzeln verfilmt

Einfallslos wird die Romanvorlage Buchstabe für Buchstabe, Seite für Seite abgefilmt und quält den Zuschauer durch Redundanzen, die durch mangelhaftes Regieverständnis und durchschnittliche Schauspielkunst noch verstärkt werden. Da muss unbedingt noch aufwändig die Hochzeit des ältesten Weasley-Sohnes inszeniert werden, die im weiteren Verlauf der Handlung keine Rolle mehr spielt, außer, dass Harry hier einen wichtigen Hinweis bekommt – den er filmtechnisch überall hätte bekommen können in viel kürzerer Filmzeit. Da muss die Wirkung des Unsichtbar-Schutzzaubers noch buchstabengetreu gezeigt werden, als jedem Zuschauer längst klar ist, dass er offenbar funktioniert – aber der Special Effect ist halt so schön. Im Buch bleibt dem Potter-Fan in solchen Situationen die Fantasie für liebevolle Details und im literarischen Universum gehören die losen Fäden auch ordentlich verknüpft, Weasley/LaFleur also verheiratet. Aber im Film-Universum des Harry Potter gibt es so viele lose Fäden, dass es auch ein paar weitere wirklich nicht angekommen wäre.

Naja, aber dafür kann man sich ja an der personifizierten britischen Schaupielkunst erfreuen. Immerhin hat die Dichte der großen britischen Charakter-Mimen in HP7 nochmal zugenommen – jetzt sind auch Bill Nighy (Tatsächlich … Liebe – 2003) und Rhys Ifans (Notting Hill – 1999) dazugestoßen, jeweils in Minirollen in Miniszenen, die – ich wiederhole mich – früher der dramaturgischen Schere zum Opfer gefallen wären. Und die großen Mimen geben, was das Drehbuch hergibt: nicht viel und nichts darüber hinaus. Es ist, als hätten sie erkannt, dass die Mitwirkung im Harry-Potter-Kino leicht verdientes Geld sei, das man gerne mitnimmt. Daneben stehen die bekannten drei Hauptdarsteller, die noch nie große Akteure waren; aber das hat auch bis dato nie einer verlangt. Jetzt allerdings – vor dem Hintergrund eines dünnen Drehbuchs, einer einfallslosen Schnitt-Gegenschnitt-bedrohlicher-Musikeinsatz-Schnitt-Regie – fällt's unangenehm auf.

Limitierte Schauspielkunst in fantasievoller Ausstattung

Daniel Radcliffe agiert weiterhin zwischen erstaunt-gucken und wütend Zaubersprüche fuchteln, Rupert „Ron” Grint hat noch nie so getan, als sei er Schauspieler, und Emma Watson, die rund um den Start des Films plötzlich als britisches It-Girl die Schlagzeilen beherrschte, als neues Style-Vorbild der Twenty-somethings dieser Welt, ist … naja, sie ist wenigstens hübsch anzuschauen und hat Charme. Und weil ihre Hermine die wichtigen Gewinner-Szenen hat, macht es Spaß, wenn sie im Bild ist. Grundsätzlich ist zu beobachten: Redet einer, glotzen die anderen stoisch irgendwohin, spielen („acten”) aber nicht.

Sehenswert an diesem Film sind: Die fantasievolle Ausstattung, die Special Effects und wunderschöne Landschaften in trüb-grau verhangenem Wolkenschleier, der wunderbar die Stimmung der Geschichte einfängt. Auch diese hat der Regisseur zu verantworten, weil er sie letztlich abnickt. Aber streng genommen sind das Auszeichnungen für andere – Kameraleute, Set-Designer und FX-Tüftler. David Yates beschränkt seine dramaturgische Arbeit auf das Nötigste und zeigt, dass es auf Kunst, auf eine eigene Filmsprache im Harry-Potter-Universum nicht ankommt. Längst herrscht der Lord Voldemort des Mammons über die Zauberlehrlinge.

Ursprüglich sollte der Film in 3D Premiere haben. Das haben die Macher im letzten Moment abgeblasen. Die „Umwandlung” der Bilder in 3D sei „nicht zufriedenstellend” gewesen. Warum dann nicht – wie James Cameron in Avatar (2009) – gleich in 3D drehen? Das kostet mehr, dürfte bei der Gelddruckmaschine „Harry Potter” aber nicht ins Gewicht fallen. Die 3D-Version soll nun nachgereicht werden – spätestens im Sommer 2011, wenn HP7.1 startet – ebenfalls in 3D.

Wertung: 1,50 von 7 €uro
IMDB