Jenny Fields, Tochter eines Schuhfabrikanten, will das College nicht besuchen, weil dies bedeuten würde, eine kommende Ehe- und Hausfrau zu werden. Aus Trotz ihren Eltern gegenüber absolviert sie eine Ausbildung zur Krankenschwester und lehnt jegliche Männerbekanntschaft oder eine Heirat ab. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitet sie in einem Lazarett und sieht hier die Chance, sich ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen: Sie will ein Kind, aber keinen Mann, der weitere Rechte auf ihren Körper hat. So wird sie vom sterbenden "Technical Sergeant Garp" schwanger und benennt ihren Sohn nach dem Soldaten T. S. Garp.
Garp wächst unter der Obhut seiner Mutter auf, die nun Schulschwester in einer Jungenschule ist. Er wird von seiner Umgebung zwar nicht als Außenseiter behandelt, aber oft als „Bastard“ tituliert, als Junge ohne Vater.
Vom Moment seiner skurrilen Zeugung an ist der Schriftsteller T. S. Garp einer Welt ausgeliefert, in der es von ungewöhnlichen Zeitgenossen nur so wimmelt: verklemmte Mütter, transsexuelle Footballspieler, beißwütige Hunde …
Das Leben ist auf lange Sicht schon komplex genug. Als Schriftsteller aber hast Du es nicht nur mit dem Leben als solchen zu tun, sondern auch noch mit dem, was Dein Schriftstellerhirn daraus macht.
John Irvings Roman gehört in die Kategorie dieser nicht verfilmbaren Stories, die sich irgendein Hollywood-Produzent dann doch vornimmt – wäre ja gelacht; und war ja schließlich ein Bestseller. Das Wagnis, den Roman in einen Film zu übersetzen, haben übernommen der Drehbuchautor Steve Tesich sowie Regisseur George Roy Hill ("Ich liebe dich – I love you – je t'aime" – 1979; "Schlappschuss" – 1977; Tollkühne Flieger – 1975; Der Clou – 1973; Schlachthof 5 – 1972; Zwei Banditen – 1969). Sie haben das irre Handlungsgestrüpp der Romanvorlage kurzerhand aufgedröselt, entwirrt und behutsam neu verknüpft.
Herausgekommen ist ein Film, der als wunderbar gerade so adäquat benannt ist. Kunst ist dafür da, mich unruhig zu machen, zu verstören. Aber hier beherrscht George Roy Hill die Kunst, dass ich mich während des gesamten Films, in dem wirklich allerlei Unangenehmes passiert, wohl fühle. Er schafft es, John Irvings unaufgeregten Erzählton in Kino zu übersetzen mit Figuren, die, so streng sie wirken, alle verständlich, sympathisch, nachvollziehbar wirken. Schon die bizarre Zeugungsgeschichte Garps wäre einen eigenen Roman wert. Statt dessen haben wir vollstes Verständnis für Mutter Jenny, die sich von einem komatösen GI ein Kind spritzen lässt, weil Glenn Close das mit einer Selbstverständlichkeit erzählt, die einfach keine Widerworte ermöglicht
Diesen Sohn spielt Robin Williams, den Beobachter als scharfzüngigen Komiker aus diversen TV-Sitcoms kennen, vielleicht auch als Popeye unter Robert Altmans Regie (1980). Hier erweist er sich als Bestätigung der These, dass Clowns, die im Fernsehgeschäft Comedians genannt werden, die besten Melancholiker abgeben. Robin Williams ist Garp. Es ist eine dieser seltenen Momente, in denen ein Schauspieler eine ikonographische Figur schafft, weil Physis, Spiel und Illusion sich verbrüdern und diese Magie schaffen, die wir Kino nennen.
Um ihn herum hat George Roy Hill mit seiner langjährigen Erfahrung einen Cast bestellt, der seinen über zwei Stunden langen Film locker über die Ziellinie bringt. Ganz vorne zu nennen ist da Mary Beth Hurt (Innenleben – 1978), die dem Hollywood-Ideal der Cheerleader-Liebschaft eine spröde, eigenwillige, dennoch blonde Auf-den-zweiten-Blick-Schönheit entgegenstellt, die wir im Kinosessel gleich mögen, weil sie eine eigene Vorstellung von ihrem Leben versprüht, und dennoch leicht verletzlich ist.
Irvings Roman hat manchen Höhepunkt, der, würde George Roy Hill ihn ins Bild setzen, dem Film eine „ab 18“-Grenze garantieren würde. Der Regisseur umgeht das Risiko, indem er seine Zuschauer bisweilen halt länger im Unklaren über die Folgen von Ereignissen lässt. Anstatt alles zu zeigen, erklären sich Dinge in Dialogen, verändertem Aussehen von Hauptfiguren (etwa plötzlich mit Augenklappe) oder durch eine Radiomeldung.
George Roy Hill gelingt mit "Garp und wie er die Welt sah" das Kunststück, das Drama des Lebens glaubhaft, schmerzhaft und unterhaltsam zu inszenieren. Chapeau!