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Plakatmotiv: Betrogen (1971)
Die Rache der Frauen an
Macho Clint Eastwood
Titel Betrogen
(The Beguiled)
Drehbuch Albert Maltz + Irene Kamp
nach dem Roman „A Painted Devil“ von Thomas P. Cullinan
Regie Don Siegel, USA 1971
Darsteller Clint Eastwood, Geraldine Page, Elizabeth Hartman, Jo Ann Harris, Darleen Carr, Mae Mercer, Pamelyn Ferdin, Melody Thomas Scott, Peggy Drier, Patricia Mattick, Charlie Briggs, George Dunn, Charles G. Martin, Matt Clark, Patrick Culliton u.a.
Genre Drama
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
20. Juli 1973
Inhalt

Der amerikanische Westen während des Sezessionskriegs (1861–65): John McBurney, Corporal der United States Army, wird mitten im Feindesland schwer verwundet. Die 12-jährige Amelia findet ihn und bringt ihn in ein Mädchenpensionat. Die Internatsfrauen nehmen sich seiner Pflege an, ohne den Soldaten der Confederate States Army Bescheid zu geben, dass sie einen feindlichen Soldaten beherbergen.

Die 17-jährige Carol verfällt McBurneys Charme und lädt ihn ein, in der Nacht ihr Zimmer aufzusuchen. Als Carol bemerkt, dass McBurney auch der älteren Edwina seine Liebe gesteht, wird sie eifersüchtig und bindet ein blaues Tuch an das Tor – als Zeichen dafür, dass sich ein Soldat der Unionsarmee auf dem Internatsgelände befindet. Eine Patrouille stellt daraufhin McBurney. Die dazukommende Leiterin des Internats, Martha Farnsworth, behauptet, McBurney sei ihr Cousin aus Texas, und die Soldaten ziehen unverrichteter Dinge wieder ab.

Plakatmotiv (US): The Beguiled – Betrogen (1971)Martha unterbreitet McBurney den Vorschlag, dauerhaft zu bleiben, um die angrenzende Farm zu bewirtschaften und somit den Platz ihres verschollenen Bruders einzunehmen. McBurney küsst sie, geht dann aber in Carols Zimmer und schläft mit ihr. Edwina hört Geräusche aus dem Zimmer und findet McBurney in Carols Bett vor. In ihrer Wut stürzt sie McBurney die Treppe hinunter, der bewusstlos liegen bleibt. Martha konstatiert ein gebrochenes Bein und sieht sich gezwungen, es zu amputieren …

Was zu sagen wäre

Ein Nordstaatenoffizier zwischen lauter Südstaatenfrauen – Clint Eastwood, endlich angekommen zwischen lauter Frauen, die in seiner Gegenwart bekanntlich sofort schwach werden. Und Regfie führt sein Testosteron-Buddy und Mentor Don Siegel Eastwood also im Paradies? Denkste! Siegel schickt in seiner dritten Zusammenarbeit mit Eastwood seinen virilen Star als wehrlosen Verwundeten in die Hände einer Gruppe libidinös fragiler Damen. Und alle drehen durch.

Er wickelt jede der Frauen um den Finger: Das Kind, Ms. Amy, als vermeintlicher Großer Bruder „Guten Morgen, Schutzengel.“ Die lebensunerfahrene Lehrerin Edwina als der lange ersehnte Prinz: „Ich kam mit 15 her. Sieben Jahre, Abgesehen von meinen Besuchen in der Sonntagsschule habe ich kaum jemals das Schulgelände verlassen in all den Jahren.“ „Kommen Sie sich da nicht manchmal vor wie ein Dornröschen, das in einem verwunschenen Schloss sitzt und darauf wartet, dass ein Prinz kommt und es mit einem Kuss erlöst?“ Die Direktorin – die einst mit ihrem verschollenen Bruder inzestuös im Gras rumgemacht hat – in der Rolle des Gesinnungsbruders. „Sehen Sie, ich bin Quäker.“ Und Carol, dem sexy Biest – „Ich bin 17. Aber ich weiß mehr als andere in diesem Alter.“ –, kommt er als Kerl: „Glaube ich gerne!

Dabei macht die Regie immer klar, dass McBurney ein Lügner ist. Während er ehrbare Sprüche drischt, zeigen Rückblenden, dass er ein durchschnittlicher, alles Konföderierte abknallender Soldat war. In der komplexen Gemengelage spielt noch eine weitere Richtung eine Rolle. Wir sind schließlich in den Südstaaten während des Sezessionskrieges und im Haus arbeitet eine farbige Haushälterin, die zwischen allen Stühlen steht: „Ich bin kein Sklave.“, sagt provozierend der Verwundete. „Sie meinen, Sie haben sich freiwillig zusammenschießen lassen?“, ätzt die Schwarze. „Haben Sie es denn gern, zusammengeschossen zu werden?“ „Manchmal ist man gezwungen, auch Dinge zu tun, die man nicht gerne tut.“ „Nicht wenn man frei ist. Und Ihr Weißen tötet Euch doch nicht gegenseitig, weil Euch was an uns Schwarzen liegt. Die Weißen, Mr. Yankee, sind sich alle gleich. Überall auf der Welt.“ „Und ich sage Dir, dass sich alle Männer gleichen. Egal, welcher Hautfarbe sie sind!“ Mae Mercers Rolle als Hallie in diesem Drama ist vielfältig. Sie ist Angestelte, nicht Sklavin im Haus. Als Farbige kann sie das Geschehen zwischen Frauen und dem einen Mann von außen für den Zuschauer mit spitzen Kommentaren einordnen – „Ich glaube, Du trocknest genauso aus, wie die anderen Frauen hier“, sagt Hallie zur einzigen Kuh im Stall. „Unsere Hennen hatten sich das Legen abgewöhnt, bis Sie kamen. Sie müssen Hahnblut in sich haben!“ – und sie ist als Einzige im weiblichen Reigen sexueller Avancen unverdächtig.

Don Siegel, der verkürzt als Kerle-Movie-Regisseur umschrieben wird, ist ein darüberhinaus versiertter Handwerker (Ein Fressen für die Geier – 1970; Coogans großer Bluff – 1968; „Nur noch 72 Stunden“ – 1968; „Der Tod eines Killers“ – 1964; Die Dämonischen – 1956)). Seine ganze Kunst zeigt der für seine kalte Effizienz beim Dreh bekannte Regisseur bei der Szene, in der die Frauen Eastwoods Bein amputieren, einer Szene, die sinnbildlich als Kastration des Supermannes durch Lehrerinnen steht: Wir sehen Gesichter, Schattenspiele, hören trocken sägende Geräusche und das ist mehr visuelles Erzählen, als manch Zeitgenosse schafft.

Das Drehbuch von Albert Maltz und Irene Kamp ist elegant geschrieben, leuchtet mit großer Sprachgewalt und ist Grundlage für Siegels anspruchsvollen und bislang ausgefeiltesten Film, den Geraldine Page als Direktorin und Elizabeth Hartman als Dornröschen-Lehrerin mit schauspielerischem Glanz schmücken. Eastwood, der sonst viel über seine Physis erledigt, hier aber über weite Strecken ans Bett gefesselt ist, schafft Präsenz, muss aber auch ein wenig auf die Gewohnheit der Zuschauer setzen, die gewöhnt sind, dass er einen Raum betritt, die sich darin aufhaltende Frau küsst und ins Bett zieht. Ganz so einfach fällt ihm das hier nicht.

Siegels subtil inszenierter Nervenkrieg entfaltet im schwülen Treibhausklima der Südstaaten einen Katalog wüster Dekadenz, den er mit Spaß an schwarzem Humor und drastischer Sexual-Symbolik als Horror-Show präsentiert.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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