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Plakatmotiv: Dogma (1999)

Respektlos. Kritisch.
Und sehr komisch.

Titel Dogma
(Dogma)
Drehbuch Kevin Smith
Regie Kevin Smith, USA 1999
Darsteller

Ben Affleck, Matt Damon, Linda Fiorentino, Alan Rickman, Salma Hayek, Chris Rock, Jason Lee, Jason Mewes, Kevin Smith, Alanis Morissette, Bud Cort, George Carlin, Brian O'Halloran, Janeane Garofalo, Walter Flanagan, Scott Mosier, Dwight Ewell, Gwyneth Paltrow u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 130 Minuten
Deutschlandstart
20. April 2000
Inhalt

Die beiden gefallenen Engel Loki und Bartleby wollen zurück in den Himmel. Und tatsächlich finden sie ein Schlupfloch in der göttlichen Gesetzgebung, die Feier zum 100,. Geburtstag einer Kirche in New Jersey. Diese ist nämlich mit einem Generalablass verbunden. Also machen sich Loki und Bartleby auf den Weg nach New Jersey. Dass sie dabei das gewaltsame Ende der Welt heraufbeschwören, wäre doch mit diesem Schritt die Fehlbarkeit Gottes bewiesen, der sie schließlich als Sünder auf ewig aus dem Himmel nach Wisconsin verbannt hat, kümmert sie keine Spur. Der Himmel will also unter allen Umständen verhindern, dass Loki und Bartleby ihr Ziel erreichen.

Die junge Bethany Sloan wird von Metatron, dem Obersten der Engel und Stimme Gottes beauftragt, die beiden Engel zu finden und davon abzuhalten, die Kirche zu betreten. Ihr stehen zwei Propheten, Jay und Silent Bob, zur Seite.

Zu ihnen gesellt sich noch Rufus, der 13. Apostel, der einige Fehler in der Bibel korrigieren will. Zu viert müssen sie nicht nur ihren göttlichen Auftrag erledigen, sondern sich auch noch mit einigen, zum Teil stinkenden Dämonen herumschlagen …

Was zu sagen wäre

Die Katholiken kommen nicht gut weg in diesem Film. Der Glaube auch nicht. „Gott sagt, die Menschen machen einen großen Fehler“, erklärt Rufus, der 13. Apostel, „wenn sie eine gute Idee mit einer Gaubensstruktur versauen. (…) Ideen machen weniger Ärger. Sie lassen sich leichter ändern. einen glauben zu ändern, ist eine heikle Sache. Dafür sterben Menschen. Dafür töten Menschen.“ Im Grunde kommt keine Religion gut weg in diesem Film, aber die Katholiken mit ihrem Generalablass stehen im Zentrum der beißenden Satire.

Der Film wäre natürlich eigentlich nach zehn Minuten zu Ende. Dann ist die vorauseilende Entschuldigung der Filmemacher bei allen Gläubigen für etwaige Blasphemie sowie die Einleitung durch, in der die beiden gefallenen Engel herausfinden, wie sie nach Jahrtausenden der Verbannung einfach durch die Himmelspforte heim in Gottes Reich marschieren können und dann würde Gott in seiner Allmacht dem Spuk einfach ein Ende bereiten. Also hat sich Autor und Regisseur Kevin Smith ausgedacht, dass Gott leidenschaftliche Minigolferin ist, deshalb regelmäßig eine Auszeit in menschlichem Körper auf der Erde nimmt und dabei von irgendjemandem in diesem menschlichen Körper festgesetzt worden ist. Wenn das geklärt ist, nimmt sich Smith das Buch der Bücher vor und stellt das ein oder andere zur Diskussion. Die UrUrUrUrUrUrUrUrUrUrUrUrUrUr-etc-Nichte von Jesus arbeitet in einer Abtreibungsklinik, es gibt einen 13. Apostel, der aber ein Schwarzer ist und deshalb aus der Bibel gestrichen worden ist, Jesus war auch ein Schwarzer, als Gottes Sohn für die Bibel aber halt unerlässlich, also haben die Autoren einen Weißen aus ihm gemacht. Und Gott ist, wenn überhaupt mit einem Geschlecht geschlagen, eine Frau, was die Autoren der Bibel, die nicht nur allesamt Weiße, sondern eben auch Männer waren, dann aber geändert haben. Die Engelsschar leidet darunter, dass Gott ihnen nach Lokis alkoholbedingtem Ausstieg aus Gottes Diensten vor Jahrtausenden den Spaß am Alkohol versaut hat und ein Geschlechtsteil haben sie auch nicht. Zur Fortpflanzung waren sie einfach nie vorgesehen.

Die Schurken in diesem Stück sind keine Böswilligen im eigentlichen Sinn. Sie wehren sich nur gegen die Endgültigkeit göttlicher Entscheidungen, dagegen, dass Gott offenbar nicht darüber nachdenkt, was eine Strafe in Ewigkeit bedeutet – etwa, abgestellt zu werden in der Öde Wisconsins oder in der Hölle. Als ihnen klar wird, dass sie mit ihrem Tun das Ende allen Seins heraufbeschwören, kommen sie ins Nachdenken. Und da fällt ihnen dann auf, dass sie eigentlich schon immer von Gott übers Ohr gehauen worden sind. Die Menschen lässt Gott treiben, was sie wollen. Sie dürfen glauben oder nicht, anbeten oder nicht, es ist Gott egal. Sie liebt ihre Schäfchen dennoch. Aber die Engel, viel früher erschaffen als die Menschen, sind zu Gehorsam, Anbetung und ewigem Halleluja verpflichtet.

Wenn sie die Menschen auch nicht immer gut behandelt, was Kriege in ihrem Namen oder Einzelschicksale unterstreichen. Bethany zum Beispiel, die keine Kinder bekommen kann und deswegen von ihrem Mann verlassen wurde, woran zu knabbern sie nie aufgehört hat, fragt, warum Gott so etwas zulasse. Und darauf hat niemand im Film eine Antwort. Erst Gott selbst, die im Film von der Sängerin Alanis Morissette gespielt wird und Bethanys Frage, „Wieso sind wir hier?“ beantwortet, indem sie ihr auf die Nase stupst und „Pööp“ sagt. Ursprünglich war Holly Hunter (Familienfest und andere Schwierigkeiten – 1995) für die Rolle Gottes angefragt worden, aber die lehnte ab. Emma Thompson (Mit aller Macht – 1998), die auch gefragt worden war, wurde schwanger. Schließlich übernahm Morissette die Rolle. Auf ihrer Odyssee nach New Jersey bekommen es Bethany und ihre Begleiter unter anderem mit einem Höllendämon, dem Golgathaner, zu tun, der aus den Exkrementen gekreuzigter Verbrecher entstanden ist. Loki und Bartleby betätigen sich derweil als Racheengel und töten einen untreuen Ehemann und die Vorstandsmitglieder der Produktionsfirma einer Zeichentrickserie, da diese mit ihrem populärsten Produkt, einem goldenen Kalb, angeblich ein Götzenbild erschaffen und noch eine Reihe anderer schwerwiegender Sünden begangen haben – auch an Hollywoods Gott Walt Disney kratzt dieser Film.

"Dogma" sympathisiert mit der Idee eines Höheren Wesens, stellt aber fest, dass der glaube daran ein tragischer Fehler ist. Das wird in der Figur eines Kardinals deutlich, der gegen den Schwund in seinen Kirchenbänken eine große Marketingkampagne – „Catholizism WOW!“ – mit einer coolen Jesusfigur aufzieht; als wäre Kirche lediglich ein Produkt im Schaufenster, das bisweilen dem jeweiligen Zeitgeist angepasst werden könnte. Die Retter der Göttlichkeit sind – unter kirchlichem Gesichtspunkt – lauter Gefallene – neben Bethany, gespielt von Linda Fiorentino (Men in Black – 1997; Unforgettable – 1996; Jade – 1995) mit bezauberndem Girl-next-door-Charme, die mit ihrem schwindenden Glauben ringt, die beiden Kiffer Jay und Silent Bob, die mehr oder weniger ununterbrochen nur ans Vögeln und/oder Kiffen denken, ein ignorierter Apostel, der die Religionsgeschichte umschreiben will, und Gottes eitler Majordomus Metatron, der Wert auf ein gepflegtes Äußeres legt; den spielt der Brite Alan Rickman (Michael Collins – 1996; "Bob Roberts" – 1992; Robin Hood – König der Diebe – 1991; "Quigley der Australier" – 1990; Stirb langsam – 1988), dessen genervtem Blick man die Tragik von Jahrmillionen gelebter Unsterblichkeit ansieht.

Die übernatürliche Komödie mit den Oscarpreisträgern Matt Damon ("Rounders" – 1998; Der Soldat James Ryan – 1998; Good Will Hunting – 1997; Der Regenmacher – 1997; Mut zur Wahrheit – 1996) und Ben Affleck ("Auf die stürmische Art" – 1999; Shakespeare in Love – 1998; Armageddon – 1998; Phantoms – 1998) in den Rollen der gefallenen Engel Loki und Bartleby lebt von deftigen Szenen, die von Respekt für ihr Sujet künden, so dezidiert wie dieses filetiert wird.

Nach seiner New-Jersey-Trilogie ("Clerks – Die Ladenhüter" – 1994; "Mallrats" – 1995; Chasing Amy – 1997) wendet sich Regisseur und Autor Kevin Smith den ernsten Dingen zwischen Himmel und Erde zu. Er beantwortet auf gewohnt ruppige Weise Glaubensfragen: Was genau hat Jesus gemacht, als er 18 war? Hatte Maria Sex? Gab es schwarze Apostel? Ist Gott eine Frau?

Und das Zentrum des Universums liegt in New Jersey, jenem Bundesstaat im Schatten der glitzernden Metropole Manhattan, der in Hollywoodfilmen, auch diesem, stets grau in grau gemalt wird.

Wertung: 9 von 11 D-Mark
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