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Plakatmotiv: Die fabelhafte Welt der Amélie (2001)

Pure Fantasie und Audrey Toutou

Titel Die fabelhafte Welt der Amelie
(Le fabuleux destin d'Amélie Poulain)
Drehbuch Guillaume Laurant & Jean-Pierre Jeunet
Regie Jean-Pierre Jeunet, Frankreich, Deutschland 2001
Darsteller

Audrey Tautou, Mathieu Kassovitz, Rufus, Lorella Cravotta, Serge Merlin, Jamel Debbouze, Clotilde Mollet, Claire Maurier, Isabelle Nanty, Dominique Pinon, Artus de Penguern, Yolande Moreau, Urbain Cancelier, Maurice Bénichou, Michel Robin u.a.

Genre Komödie, Romantik
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
16. August 2001
Inhalt

Amélie ist nicht so ganz von dieser Welt. Aber das macht nichts, denn Amélie hat ihre eigene, fabelhafte Welt. Amélie liebt die kleinen Dinge, die leisen Töne und zarten Gesten. Sie hat ein Auge für Details, die jedem anderen entgehen, und einen Blick für magische Momente, die flüchtiger sind als ein Wimpernschlag.

Amélie hat den Kopf in den Wolken, aber dennoch steht sie mit beiden Beinen auf der Erde. Vielleicht liegt das an den flachen Kieselsteinen, die sie in ihrer Manteltasche sammelt, um sie in freien Minuten übers Wasser hüpfen zu lassen. Vielleicht ist es aber auch ihr Job, der sie in der Realität festhält, denn Amélie arbeitet in einem Café in Montmartre.

Eifersüchtige Liebhaber, gescheiterte Genies, tragisch verunglückte Artisten und sehnsuchtskranke Hypochonder bevölkern dieses skurrile kleine Universum. Sie alle tragen schwer an ihrem Schicksal, während Amélie, die bezaubernde Kellnerin mit dem spitzbübigen Lächeln, kleine silberne Tabletts an ihre Tische trägt und ihnen stets ihr großes Herz serviert.

Amélie ist eine Träumerin, aber sie hat einen wachen Blick. Und als sie eines Tages beschließt, als gute Fee in das Leben ihrer Mitmenschen einzugreifen, weiß sie genau, was sie zu tun hat: Sie schickt einen Gartenzwerg auf Weltreise, sie zaubert jahrzehntelang verschollene Liebesbriefe herbei, sie versetzt erwachsene Männer in ihre Kindheit zurück, sie wird Schutz-- und Racheengel in einer Person. Alles scheint ihr zu gelingen, aber als sie Nino, den Mann ihrer Träume, trifft, weiß sie nicht, wie sie sich selbst zum Glück verhelfen soll …

Was zu sagen wäre

Wenn Amélie ihren Liebsten endlich – endlich! – im Arm hält, ihn mit ihren großen Augen anblickt, ihn dann sanft auf den Mundwinkel küsst, dann seinen Hals, dann Augenbrauen, ist die Verzauberung total. Jetzt glaubt auch Amélie, die allen möglichen Menschen den Weg ins potenzielle Glück gebastelt hat, dass sie angekommen ist. Plakatmotiv: Le fabuleux destin d'Amélie Poulain (2001) Ein sehr warmer Moment in einem Film voller warmer Momente, dessen Regisseur und Drehbuchautor sich offenbar zum Ziel gesetzt, seine Zuschauer keinen Moment bangen zu lassen. Wir sollen uns ununterbrochen wohl fühlen im Kinosessel und das tun wir angesichts dieses zauberhaften Märchens aus einem Paris aus dem Paralleluniversum der Glückseligkeit.

Es ist nicht so, dass nicht auch in diesem Film Menschen leiden, einige sterben sogar. Amélie selbst vereinsamt als Kind, weil ihr Vater ihr keine Liebe gibt, und wenn er, Militärarzt, sie regelmäßig untersucht, rast ihr Herzschlag vor Aufregung, was den Vater irrigerweise glauben lässt, seine Tochter sei herzkrank, weswegen sie dann nicht auf eine Schule kommt, sondern von der Mutter daheim unterrichtet wird. Viele Dramen also, die der Film erzählt. Aber er erzählt sie mit leichter Hand nicht nur über einen Off-Erzähler, der jedem Trauerfall die Schärfe nimmt, sondern auch über eine Bildsprache, die Amélies Welt in grüne, rote und gelbe Schattierungen wirft und damit den Weg ins Märchenhafte eröffnet. Dazu kommt ein Personentableau mit charmanten Knurrhähnen, eifersüchtigen Einsamen, unterschätzten Kreativgeistern und einem bösen Gemüsehändler, dem Amélie, die sonst so stille Kellnerin mit dem großen Herz, kleine Gemeinheiten versetzt.

Eigentlich besteht Amélie auf ihr Recht an einem gescheiterten Leben, denn „das Recht auf ein gescheitertes Leben ist unantastbar!“ Aus ihrer einsamen Kindheit hat sie sich in ein einsames Erwachsenenleben gerettet. Dann findet sie in ihrer neuen Wohnung hinter einer abgefallenen Kachel eine Zigarrendose mit Kinderspielzeug und beschließt spontan, den Jungen, dem die Dose gehört hat, ausfindig zu machen. Als das gelingt und der mittlerweile grauhaarige Mann ganz beseelt ist vor Glück, beschließt Amélie, dies zu ihrem Lebensinhalt zu machen: Menschen glücklich machen.

Dabei allerdings verliebt sie sich in einen Mann, der ihr irgendwie ähnlich ist, ein Sammler von weggeworfenen Bildern aus Fotoautomaten. Wir erfahren vom Off-Sprecher, dass er zu der Zeit, als Amélie sich nach Freunden auf einem Schulhof gesehnt hat, sich nach einem Leben ohne Schulhof gesehnt hat, weil er dort grausam gemobbt wurde, und dass beide abends sehnsüchtig denselben Mond angefleht haben. Alles fügt sich, manches auf wundersame Weise, manches auf sehr witzige Weise. Plakatmotiv: Le fabuleux destin d'Amélie Poulain (2001) Und dass alles gut wird, ist in diesem Film schon nach wenigen Minuten klar. Bei diesem Film ist nicht das Finale entscheidend, hier ist der Weg dorthin das Ziel.

Nach seinem Ausflug in die amerikanische Science Fiction (Alien – Die Wiedergeburt – 1997) kehrt der französische Autor und Regisseur Jean-Pierre Jeunet ("Stadt der verlorenen Kinder" – 1995; "Delicatessen" – 1991) in seine eigenen Fantasiewelten zurück und legt mit "Le fabuleux destin d'Ameélie Poulain" ein poetisches Großstadt-Märchen vor, das sich in seiner Heimat Frankreich zum Kassenschlager entwickelt hat.

Das mag an der überbordenden, alle Grenzen vernünftigen Denkens sprengenden, herzlichen Fantasie-Geschichte liegen. Das liegt aber auf jeden Fall an Audrey Toutou, die mit diesem Film sich Fluch und Segen eines Schauspielerlebens erarbeitet hat. Sie wird, das kann man heute schon sagen, auf immer die Schauspielerin sein, die die Amélie gespielt hat; solche Festlegung auf einen verhuschten, wirkungsmächtigen Charakter engt das Rollenspektrum ein. Aber das ist Zukunft: Die Gegenwart hat einen neuen Star.

Natürlich ist der Film wunderbar fotografiert, natürlich ist das Design wieder detailreich und voller Ideen, natürlich ist das Script jenseits jeder Realität – natürlich, es ist ja ein Film von Jean-Pierre Jeunet.

Wertung: 5 von 6 €uro
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