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Plakatmotiv: Die Asche meiner Mutter (1999)

Schwere Drama-Kost
leichtherzig serviert

Titel Die Asche meiner Mutter
(Angela's Ashes)
Drehbuch Laura Jones & Alan Parker
nach dem Roman von Frank McCourt
Regie Alan Parker, USA, Irland 1999
Darsteller

Emily Watson, Robert Carlyle, Joe Breen, Ciaran Owens, Michael Legge, Ronnie Masterson, Pauline McLynn, Liam Carney, Eanna MacLiam, Andrew Bennett, Shane Murray-Corcoran, Devon Murray, Peter Halpin, Aaron Geraghty, Sean Carney Daly u.a.

Genre Drama
Filmlänge 145 Minuten
Deutschlandstart
2. März 2000
Inhalt

1935 gab es für irische Familien im allgemeinen nur ein Ziel: Amerika. Für die verarmten McCourts gilt das Gegenteil: Nach dem Tod ihrer 7 Wochen alten Tochter reisen Angela und ihr arbeitsloser, alkoholsüchtiger Gatte Malachy Sr. mit ihren vier Kindern – Frank, Malachy Jr. und die Zwillinge Eugene und Oliver – zurück nach Irland, einem Land, von dem Frank nur gehört hat „Es gab keine Arbeit und die Menschen verhungerten“.

Der Empfang in Limerick durch Angelas katholische Familie ist frostig: Sie hat deren Ehe mit einem Protestanten aus Belfast nie akzeptiert. Lediglich Grandma leiht den Heimkehrern etwas Geld, damit sie sich niederlassen können. Aber alle Hoffnung geht dahin, als Vater keine Arbeit findet und Oliver stirbt. Innerhalb weniger Monate stirbt auch Eugene und Dad verliert sich im Alkohol.

Auch der Umzug der Familie nach Roden Lane hält nur kurzfristig Hoffnung bereit; der Boden ist so feucht, dass die Familie nur im ersten Stock leben kann. In Roden Lane kommt Michael zur Welt. Mit der Geburt eines zweiten Jungen, Alphie, kommen fünf Pfund von Dads Familie. Aber der verschwendet keine Zeit, das Geld gleich im Pub zu versaufen. Mom schickt Frankie, um Pa aus dem Pub zu holen, aber der bringt es nicht übers Herz, seinen singenden Vater vor aller Welt zu blamieren.

Als der Zweite Weltkrieg ausbricht und in England Arbeitsplätze frei werden, fährt Malachy McCourt dorthin, um sich Arbeit zu suchen, doch die Familie wartet vergeblich auf Geldüberweisungen von ihm. Aus Geldnot verdingt sich Frank, mittlerweile zehn Jahre alt, bei einem Kohlenhändler und liefert für kargen Lohn Kohle aus. Doch der Kohlenstaub löst eine schwere Bindehautentzündung aus, so dass er nicht mehr weitermachen kann. An Weihnachten kommt sein Vater für einen Tag zu Besuch und überweist am kommenden Wochenende einmalig Geld.

Am 1. Weihnachtstag setzt sich Malachy wieder in den Zug nach London. Am Wochenende drauf überweist er drei Pfund. Danach hört Frank nie wieder von ihm …

Was zu sagen wäre

Die Zeit der großen Wirtschaftskrise war für die mit vielen Hoffnungen nach Amerika ausgewanderten Iren keine gute Zeit. Jobs gab es keine und für Iren schon gar nicht. Nur in Irland, wohin Familie McCourt zurückkehrt, war es noch schlimmer. Deswegen waren ja alle ausgewandert. An dieser Zeit war für arbeitslose, kaum gebildete Menschen nichts gut und Alan Parker gibt sich keine Mühe, diesen Zustand zu kaschieren. Das Leben der McCourts ist ein Elend. Von dem sich die Familie aber nicht unterkriegen lässt.

Es wirkt ein bisschen zynisch, wenn sich zwei millionenschwere Filmstudios, Universal und Paramount, zusammentun und die Tragik bitterer Armut feiern, in der sich eine Familie, die keine Aussicht auf Besserung hat, klaglos einrichtet. Wenn die McCourt-Kinder einzelne Kohlen aus der brackigen Gosse klauben, um wenigstens ein bisschen heizen zu können, oder vom Laster in den Matsch gefallene Kohlköpfe auflesen, weil kein Staat, keine Kirche, niemand ihnen hilft, fühlt man sich kurz an Marie Antoinette mit ihrem Spruch erinnert „Wenn die Menschen kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Message 1999: Armut ist gar nicht so schlimm. Man muss nur zusammenhalten, dann geht's. Dieser Gedanke liegt nicht fern angesichts der Tatsache, dass die Hollywood-Studios heute durch Investmentbanker an der Wall Street kontrolliert werden, die dem Shareholder Value verpflichtet sind, nicht einem sozialen Ausgleich. Aber in dem Fall geht der Film, der das über 16 Jahre andauernde Elend nur zweieinhalb Stunden ausstellt, auf eine wahre Geschichte zurück, sicher dramaturgisch aufgepeppt. Aber die Familie McCourt hat es wirklich gegeben.

Frank McCourt, der Protagonist, der uns als Erzähler aus dem Off durch den Film begleitet, arbeitete 45 Jahre als Englischlehrer in den USA, bevor er mit "Die Asche meiner Mutter" seine Autobiografie und die Geschichte seiner Familie schrieb. Das Buch wurde ein Weltbestseller. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil McCourt in seinem Buch das Elend, in dem er 16 Jahre lang aufwuchs, weder verschweigt noch verklärt, dabei aber einen warmherzigen, lakonischen Tonfall fand, der mit viel Liebe von seiner Familie erzählte. Der britische Regisseur Alan Parker ("Evita" – 1996; "Willkommen in Wellville" – 1994; "Die Commitments" – 1991; Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses – 1988; Angel Heart – 1987; "Birdy"– 1984; Pink Floyd – The Wall – 1982; "Fame – Der Weg zum Ruhm" – 1980; "12 Uhr nachts – Midnight Express" – 1978; "Bugsy Malone" – 1976) versucht, diesen Stil im Film umzusetzen. Er schont seine Zuschauer nicht und wirft sie hinein in eine „unglückliche Kindheit. Eine glückliche lohnt sich ja kaum“, erzählt die Stimme aus dem Off gleich zu Anfang. „Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit. Schlimmer noch ist die unglückliche irische katholische Kindheit.“ Das zeigt der Film.

Das Irland in diesem Film ist niemals grün. Es ist braun, grau, ununterbrochen regnet es, durch die notdürftig gepflasterten Gassen Limericks sickern Abfälle und menschliche Ausscheidungen, das Plumpsklo wird von allen Bewohnern der Straße genutzt. Die kirchliche Wohlfahrt ist ein sarkastischer Haufen von Männern, die sich im Leid der bettelarmen Bevölkerung suhlt. Und Vater Malachy, als er endlich einen Job findet, versäuft seinen Tageslohn, verschläft die zweite Schicht und verliert den Job gleich wieder. Diesen unglücklichen Ehemann spielt Robert Carlyle (James Bond 007 - Die Welt ist nicht genug – 1999; Ganz oder gar nicht – 1997; Trainspotting – 1996) als den Stürmen des Lebens ausgesetzten Träumer, der die Kurve nicht kriegt.

Kein Sonnenschein nirgends. Aber nie versinkt der Film in moralisierendes Wehklagen oder hilfloses Jammern. Der Schlamm der Kloake, der sich bis ins Erdgeschoss der McCourts ausbreitet, überträgt sich nicht auf die Stimmung des Films. Die Erzählungen des Frank aus dem Off sind ebenso lakonisch und von Liebe für die eigene Familie getragen, wie in der Buchvorlage und nehmen den besonders großen Übeln die Spitze. Der mitteleuropäische Wohlstandsbürger sitzt im Kinosessel und folgt der poetischen und humorvollen Erzählung neugierig und leichten Herzens.

Die Familie McCourt, die sich um die Hauptfigur Frank gruppiert, ist eine zum lieb haben, bei aller Tragik. Es ist eine die sich gegen äußere Unbill zusammenschließt; neben den äußeren Umständen der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit sind das Tanten und Onkel in Irland, die den protestantischen Malachy ablehnen, weil er „aus dem Norden“ Irlands stammt, und die Familie deshalb ununterbrochen demütigen. Malachy lockt noch dazu der Alkohol, der ihn schließlich ganz aus der Bahn wirft und für die Familie als Ernährer ausfällt, sodass häufig nur das wöchentliche Stempelgeld von 15 Schillingen zum Überleben der sechsköpfigen Familie reichen muss. Auch hier schließt sich die Restfamilie zusammen und hält ihr Kinn über Wasser. Auch wenn Frank das nicht schätzt, geht seine Mutter lieber betteln oder leiht sich Geld zu Wucherzinsen, um ihre Kinder durchzubringen; später prostituiert sie sich sogar. Auch Frank selbst bemüht sich, wenigstens ein paar Schillinge zu verdienen. Aber sie geben nicht auf. Emily Watson trägt diesen Film (Der Boxer – 1997), als Mutter Angela, für die mehr Elend kaum vorstellbar ist, sich aber dennoch ihren Lebensmut bewahrt. Oscarreif.

Und noch in der tiefsten Depression der Erzählung winkt das Wissen des Zuschauers, dass aus dem lakonischen Erzähler der Autor eines Weltbestsellers wird, der diese Geschichte zum Inhalt hat. So hält Alan Parkers Film viele Schrecknisse bereit, die zum einen er durch seine Inszenierung, zum anderen die literaturgeschichtliche Realität elegant abfedern.

Wertung: 9 von 11-D-Mark
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