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Plakatmotiv: Dick Tracy (1990)

Eine bunte Comic-Verfilmung,
die ihre Herkunft ernst nimmt

Titel Dick Tracy
(Dick Tracy)
Drehbuch Jim Cash & Jack Epps Jr.
nach den Comicfiguren von Chester Gould
Regie Warren Beatty, USA 1990
Darsteller

Warren Beatty, Al Pacino, Charlie Korsmo, Glenne Headly, Dustin Hoffman, Madonna, William Forsythe, Seymour Cassel, Charles Durning, Mandy Patinkin, Paul Sorvino, Kathy Bates, Dick Van Dyke, Colm Meaney, Henry Silva, James Caan, Michael J. Pollard, Estelle Parsons, Ian Wolfe u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
27. September 1990
Inhalt

Dick Tracy, ehrbarer, unbestechlicher Polizist in einer Stadt voll Verbrechen und Korruption. Ein Fulltime-Job, da bleibt kaum zeit für Privates. das belastet ein wenig seine Beziehung zu Tess Trueheart, die duldsam im Diner auf ihn wartet und och insgeheim von Ehe und Familie träumt. Gerade hat Dick einen Jungen an der Hand, Sohn eines üblen Subjektes, das er festgenommen hat. Eigentlich muss der Junge in ein Heim, da will er aber nicht hin. Und Dick Tracy hat ja auch keine Zeit, sich darum zu kümmern.

Denn Big Boy Caprice schickt sich an, die Macht in der Unterwelt der Stadt zu übernehmen und Tracy aus dem Weg zu räumen. Murmler, der Spitzel, hat ihm das gesteckt. Seine Jagd auf den Oberschurken führt Tracy zu der Sängerin Breathless Mahoney, die ihn schamlos umgarnt. Während Tess im Diner sitzt und auf ihn wartet …

Was zu sagen wäre

Die Stadt liegt im Dunkel. In den Pfützen spiegeln sich der Neons der Nachtclubs. Die Hausfassaden sind bunt und wirken künstlich. Es sind die Kulissen einer Comic-Verfilmung. Darüber wummert der Score von Danny Elfman. Aber es handelt sich nicht um einen Batman-Film. Warren Beatty erzählt eine harte Prohibitionsgeschichte. Gangster übernehmen die Stadt, terrorisieren die kleinen Händler, bringen sich gegenseitig, lieber aber noch Bullen um. Ein Mann stellt sich ihnen mit seinem Team entgegen. Er trägt einen gelben Mantel, einen gelben Hut. Sein Name ist Dick Tracy, Police Detectiv.

Dieser Mann kennt nur ein Ziel: Er will das Organisierte Verbrechen in seiner Stadt ausräuchern. Deshalb kann er sich nicht so um seine Freundin Tess Trueheart, wie er das gerne würde – und sie vor allem: „Tracy, wenn man auf der Straße herumspielt, gehört das zu den Regeln. Ich weiß das. Aber erwarte nicht., dass mir das gefällt.“ Die Frauen in dieser Verfilmung eines Kerle-Comic sind die Würze zwischen all den bunt gekleideten Gangstern mit den grotesken Gesichtszügen. Einerseits ist da Tess, die so lange duldsam lächelt und wartet und tut, was er ihr sagt, bis sogar sie die Brocken hinschmeißt; sich dabei aber schlecht fühlt und das Genöle ihrer Mutter auch schon bald nicht mehr ertragen kann. „Es gibt keine zweite wie Dich!“ haucht ihr der tapsig verliebte Detektiv ein ums andere mal in die Augen.

Die andere Frau ist Breathless Mahony.In der deutschen Fassung heißt sie Heiserchen Mahony. In beiden Fällen wird sie von Madonna Louise Ciccone gespielt, die unter ihrem Kurznamen Madonna geläufiger ist. Diese Breathless ist Nachtclubsängerin. Das sind in Prohibitionskrimis, in denen sich zu alten Schwarz-Weiß-Zeiten, zu denen dieser Film spielt, meist James Cagney und Humphrey Bogart mit gezückter Pistole gegenüberstanden, taffe Mädchen mit kecker Zunge und verführerischem Outfit. Madonna will das alles auch sein und es ist nicht klar, ob all die Zeilen, die sie in Warren Bettys Gesicht haucht, im Drehbuch standen – dann hatte sie Pech mit ihrer Rolle – oder ob da einfach stand, Mahoney versucht, Tracy zu verführen – dann hat sie Pech mit künftigen Schauspieljobs. Verführen vor der Kamera ist nicht ihr Ding, da können ihrer Kleider noch so knapp geschnitten sein. Es ist nicht unbedingt Film für moderne Frauenverbände. Beatty hatte mit der Sängerin während der Produktion ein längeres Techtelmechtel, das erklärt vielleicht die ein oder andere mimische Entgleisung. Aber Madonnas Gesang ist weiterhin gut.

Der Film ist alles andere als Schwarz-Weiß. Er ist, auch bei Nacht, knallbunt und allein schon visuell ein großes Ereignis. Er nimmt seine Herkunft auf liebevolle Weise sehr ernst. Da rattern harte Gangster ihre Tommyguns in schweren Boliden über nachtglitzernden Asphalt, der im Neonlicht rot oder grün strahlt, während die Autos knallrot leuchten, giftgrün, schweinchenrosa und die Hausfassaden orange mit blauen Fensterrahmen, schwarz mit gelben Rahmen. Dick Tracys Mantel und Hut etwa leuchten gelb, fleckenlos auch dann, wenn der Cop in eine wilde Schießerei gerät, Nadelstreifenanzüge sind blau oder grün oder magenta, die Schatten der Stadt sind schwarz, die Suchscheinwerfer der Polizei weiß.

"Dick Tracy" ist ein Stoff, der in den 1930er Jahren als Comicstrip Karriere machte. Daran hat sich Warren Beatty bei seiner Umsetzung gehalten ("Reds" – 1981; "Der Himmel kann warten" – 1978; "Zeuge einer Verschwörung" – 1974; "Bonnie und Clyde" – 1967). Sein Film hat nur sieben Farben – jene, die auch der Ursprungs-Strip hatte. Beatty hat seine Geschichte getreu der Vorlage in den 1930er Jahren angesiedelt, der Zeit der großen runden Kotflügel und der noch größeren Maschinengewehre. Konsequent zieht Beatty das Design der Vorlage durch bis in die grotesk entstellten Gesichter der Mobster – großartig. Sich selbst besetzt er in der Titelrolle und obwohl da noch ein paar andere Namen im Gespräch waren (s.u.), Clint Eastwood etwa oder Robert DeNiro, wirken Beattys markante Gesichtszüge, eingerahmt von gelbem Hut und gelbem Mantelkragen, wie frisch aus dem Comic abgepaust.

Tracys Gegenspieler Alphonse "Big Boy" Caprice spielt Al Pacino (Sea of Love – 1989; Scarface – 1983; Cruising – 1980; …und Gerechtigkeit für alle – 1979; Bobby Deerfield – 1977; Hundstage – 1975; Der Pate II – 1974; Serpico – 1973; Der Pate – 1972) als lilafarbene Wundertüte. Mit Lust am Sau-rauslassen spielt er seinen Gangsterboss mit großer Geste, spricht nur in Hauptsätzen, und bringt der leibhaftigen Madonna Singen und Tanzen bei. Pacino erweist sich selbst in solch einer Comic-Rolle als einen der ganz großen seines Fachs. „So many questions. So few answers.“ Wunderbar! Dustin Hoffman übernimmt eine fröhliche Nebenrolle als blassrosa Murmler, in der er mal den schauspielerischen Ernst, den er in den zurückliegenden Jahren abgeliefert hat, einfach wegspielen kann (Family Business – 1989; Rain Man – 1988; Tootsie – 1982; Kramer gegen Kramer – 1979; Der Marathon-Mann – 1976; Die Unbestechlichen – 1976; Papillon – 1973; Wer Gewalt sät – 1971; Little Big Man – 1970; Die Reifeprüfung – 1967). Offenbar sprach sich in der Branche herum, dass der Dreh beim Beatty Spaß macht: zahlreiche große Namen tauchen in Minirollen, gerne auch ohne Text, auf – Seymour Cassel etwa oder James Chan, Henry Silva, Paul Sorvino, Kathy Bates, Dick Van Dyke oder Colm Meaney.

Großes Kino ist daraus entstanden, gut gelaunt, visionär und voller schöner Ideen. Man sieht, dass sich Autor, Regisseur und Produktionsdesigner vorher Gedanken gemacht haben, was sie eigentlich verfilmen wollen. Statthaft wäre ja auch gewesen, einen Film-noir-Detektiv zu zeigen mit dem populären Namen, aber den Film-Noir-üblichen seelischen Macken, wie das gerade bei Batman passiert ist. Aber das wäre eben nicht der Chester-Gould-Vorlage gerecht geworden. 47 Millionen US-Dollar hat die Produktion verschlungen plus Kosten für das Marketing, die auf rund 20 Millionen geschätzt werden. Das hat sich ausbezahlt. Weltweit spielte der Film 162,7 Millionen US-Dollar ein.

Wertung: 8 von 10 D-Mark
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