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Kinoplakat: Der Felsen
Diese Ödnis hat Korsika
nun wirklich nicht verdient
Titel Der Felsen
Drehbuch Markus Busch + Dominik Graf
Regie Dominik Graf, Deutschland 2002
Darsteller Karoline Eichhorn, Antonio Wannek, Sebastian Urzendowsky, Ralph Herforth, Peter Lohmeyer, Caroline Schreiber, Ulrich Gebauer u.a.
Genre Drama
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
25. Juli 2002
Inhalt

Korsika im Spätsommer. Katrin, Mitte dreißig, wird ihr bisheriges Leben unter den Füßen weggerissen, als Jürgen, ihr Chef und heimlicher Liebhaber, die Beziehung abrupter als geplant beendet. Katrin taumelt noch, als ihr der siebzehnjährige Malte begegnet.

Malteüberfällt sie mit einer ebenso hartnäckigen wie bedingungslosen Zuneigung, die Katrin schließlich gegen alle Pläne und Vernunft mitreißt bis ins Innere der Insel. 48 Stunden später erst findet sie den Weg zurück an die Küste. Allein. Sie hat nur noch einen Wunsch: Korsika so schnell wie möglich zu verlassen.

Aber die Situation, die sie bei ihrer Rückkehr vorfindet, stellt die Weichen für ihr ganzes weiteres Leben neu …

Was zu sagen wäre

Das Positive zuerst: Dass die wilde Felsenlandschaft Korsikas so selten als Hintergrund genutzt wird, ist schade – der Film spielt in und um Calvi. Wer mal an der korsischen Westküste war, weiß, was ich meine. Karoline Eichhorn, die die Katrin gibt, ist eine Erscheinung: verletzlich, tough, verwirrt, widerwillig vernünftig.

Soweit, so gut!

Idole fallen besonders tief. Insofern bin ich von Dominik Grafs neuem Film besonders enttäuscht. Nicht, dass er mich nicht schon in den vergangenen Jahren mit langatmigem Kunstfilm gelangweilt hätte, aber er hat mal so intelligente, unterhaltsame und eben trotzdem zum Denken anregende Filme gemacht, dass ich zu dem Schluss komme, dass er wohl so darunter gelitten hat, kommerziell erfolgreiche Filme in Deutschland zu machen, die ihm als „Anbiederung an Hollywood-Klischees” ausgelegt wurden, dass er sich eben auf kryptisches Kunstkino verlegt hat. Graf kann mit dem großen Kinobild erzählen, will es aber offenbar nicht mehr.

Unscharfe, flaue Farben aus der Handycam

„Der Felsen” startet wenige Wochen nach Star Wars: Episode II. Das ist bedeutsam, weil beide Filme voll digital gedreht worden sind und ich also durchaus positiv gespannt auf Grafs Handycam-Kino war – schließlich mache ich aus meinen Urlaubsfilmereien auch schnittige Kurzmovies und ärgere mich jedesmal über mangelndes Können, unscharfes Bildmaterial und flaue Farben. Und jetzt also der Handycam-Film des Profis: unscharfes Bildmaterial und flaue Farben.

Im Presseheft schwärmt Dominik Graf: „In jedem Fall war die kleine Kamera (...) für uns alle ein Akt der Befreiung. Ich finde, in Deutschland wird das Kino seit den Neunzigern wieder zu sehr mit Weihrauch und mit einem Erzähl- und Kostbarkeits-Codex umgeben. Im kommerziellen Sinn ebenso wie im künstlerischen Sinn. Kino wird in der Branche stets als etwas Besonderes gehandelt, etwa wie ein 5-Sterne-Menü. Diese idealisierende Haltung hemmt uns aber gleichzeitig ungemein in den Filmen, finde ich. (...) Ich bin auch überzeugt, dass die deutschen Schauspieler von der direkteren Arbeitsweise mit der kleinen Kamera profitieren können. Ich sehe im Spiel der deutschen Filmschauspieler in den letzten Jahren so viel Eitelkeit und so viel Ego-Beschäftigung, ich meine, stellenweise ihre völlig absurden Tagesgagen in ihrem Spiel stärker durchschimmern zu sehen als die Figuren und die Situationen, um die es im Film gerade geht."

Irgendeine Motivation der Hauptfiguren wäre nett gewesen

Da spricht ein Business-Insider, der den Blick seines Zuschauers verloren hat. Kino ist gegenüber der anderen Filmform „Fernsehen” das 5-Sterne-Menü; schließlich kostet die Eintrittskarte sechs €uro. Das große Bild ist ja gerade die Kunst. Eitelkeiten von Schauspielern durchschimmern zu sehen, das mag der genervte Regisseur so empfinden. Die Schauspieler im „Felsen” agieren auch nicht realistischer oder natürlicher, als ihre Kollegen aus dem traditionellen Kino - Karoline Eichhorn und Ralph Herforth bilden die Ausnahmen.

Wenn es die Aufgabe der Kunst ist, den Rezipienten zu verunsichern, weil er sich durch eine langweilig daherwabernde Geschichte, zunehmend verärgert über die Zeitverschwendung im Kinosessel kämpft, ist der Film sehr künstlerisch. Einfach abhaken und ein Bier trinken gehen? Der Film ist doch von namhaften Leuten gemacht worden – und auch so eine Produktion kostet ein paar Tausender, die erst einmal jemand zahlen wollen muss. Also frage ich beim Bier: „Was will uns der Autor / Regisseur sagen?” Die Antwort suche ich immer noch. Das Verhalten Katrins über die zwei Stunden Film nachzuvollziehen fällt mir schwer, aber gut: Darauf, dass sie tut, was sie tut, muss ich mich schon einlassen! Aber eine irgendwie geartete Motivation für ihr Treiben wäre nett gewesen.

Sex sells – Feuchter zumal

Statt dessen steigt sie nach der plötzlichen Trennung stark alkoholisiert erst einmal mit zwei Polizisten und Grafs Handycam ins Bett. Seit „Die Sieger” (1994) hat es Graf mit solchen feuchten Sexszenen, die in dieser Deutlichkeit nicht wirklich entscheidend für das weitere Handeln der Charaktere sind. „Sex sells” sagt der Fachmann. Dominik Graf deutet nicht an, er hält drauf, gerade so viel, dass ihm der Vorwurf der Pornografie erspart bleibt. Zwei Monate vor Filmstart starb Billy Wilder, der Filme in einer Zeit gedreht hat, als sogar Küsse im Kino noch auf dem Index standen; seine Filme versprühten trotzdem mehr Erotik, als der Grafsche Sex. Aber vielleicht will der europäische Künstler ganz in Houellebecq-Manier auch nur verdeutlichen, wie kalt, unpersönlich und also überflüssig der Sex in der heutigen Gesellschaft ist.

Das mag dann so sein, muss ich akzeptieren. Aber ich muss ja kein Geld dafür ausgeben.

Wertung: 2 von 6 €uro
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