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Kinoplakat: Wonder Woman (2017)

Ein Simplicissima zwischen
Jesus und Indiana Jones

Titel Wonder Woman
(Wonder Woman)
Drehbuch Allan Heinberg & Zack Snyder & Jason Fuchs
nach dem Comic-Charakter von William Moulton Marston
Regie Patty Jenkins, USA, China, Hong Kong, UK, Italien, Kanada, Neuseeland 2017
Darsteller

Gal Gadot, Chris Pine, Danny Huston, David Thewlis, Saïd Taghmaoui, Ewen Bremner, Eugene Brave Rock, Lucy Davis, Connie Nielsen, Robin Wright, Elena Anaya, Lilly Aspell, Lisa Loven Kongsli, Ann Wolfe, Ann Ogbomo u.a.

Genre Comicverfilmung, Abenteuer
Filmlänge 141 Minuten
Deutschlandstart
15. Juni 2017
Inhalt

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges lebt auf der "Paradiesinsel" Themyscira im Mittelmeer das Kriegervolk der Amazonen unter der Herrschaft von Königin Hippolyta und ihrer Schwester Antiope. Sie haben sich dem Kampf gegen ihren Erzfeind Ares verschrieben und hüten den Gotttöter, ein Schwert, das den Kriegsgott zerstören kann. Das einzige Kind ist Prinzessin Diana, die der Legende nach von Hippolyta aus Ton geformt und von Zeus zum Leben erweckt wurde.

Währenddessen stiehlt der US-amerikanische Spion Steve Trevor ein Notizbuch der spanischen Giftgasexpertin Isabel "Dr. Poison" Maru, wird bei der Flucht per Flugzeug von deutschen Verfolgern abgeschossen und stürzt nahe der Insel ins Meer. Während er von Diana gerettet wird, werden die Deutschen von den Amazonen getötet. Nachdem Hippolyta Steve verhört hat, ist Diana überzeugt, dass hinter dem Ersten Weltkrieg niemand anderes als Ares steckt. Sie stiehlt das Lasso der Wahrheit, den Gotttöter und eine rot-blaue Amazonenrüstung und segelt − nachdem Hippolyta sie zwar ertappt, aber schweren Herzens gewähren lässt − mit Steve nach London, um Ares zu töten.

In London übergibt Steve das Notizbuch seinem Chef, Sir Patrick Morgan, während Diana sich trotz des Kulturschocks mit Steves Sekretärin Etta Candy anfreundet und die Tarnidentität von Diana Prince annimmt. Sie finden heraus, dass der deutsche General Erich Ludendorff die drohende Niederlage mit einem verheerenden Gaskrieg von Dr. Poison abwehren will: Schauplatz soll die Westfront in Belgien sein. Diana mutmaßt, dass Ludendorff in Wirklichkeit Ares ist, und will ihn töten. Mit einer bunten Schar von Waffenkameraden fahren die beiden an die Front und erfahren, dass deutsche Truppen im Niemandsland ein belgisches Dorf namens Veld besetzt halten. Wütend verwandelt sich Diana in Wonder Woman und erzwingt unter ihrer Führung die Befreiung des Dorfes.

Diana und Steve erfahren, dass das deutsche Oberkommando in einer nahen Burg eine Gala abhält, an der auch Ludendorff und Dr. Maru teilnehmen. Die beiden schleichen sich hinein, doch als Diana die Chance hat, Ludendorff mit dem Gotttöter zu erstechen, fällt ihr Steve in den Arm: Dieser Akt würde jede Hoffnung auf Frieden zerstören. Ein tödlicher Fehler, wie sich erweist, nach dem Diana Steve als Schwächling beschimpft und Ludendorff töten will.

Auf einer Militärbasis, von wo aus die Deutschen mit einem großen Giftgasbomber London vernichten wollen, ersticht Diana den General − doch dann gibt sich der wahre Ares zu erkennen …

Was zu sagen wäre

Nun hat auch das DC Extended Universe seine Göttin und sie erscheint unter uns Menschen als Simplicissima im Spannungsfeld zwischen Jesus Christus und Indiana Jones.

Die Chancen standen schlecht, dass aus dieser Serie noch was werden könnte. Nachdem klar wurde, dass Zack Snyder als Regisseur der vergangenen beiden Superman-Filme und Showrunner für die ganze Extended-Universe-Serie fungieren würde, war meine Sorge groß, dass er aus der Amazone einen Thor mit Titten machen würde – das deutete sich in Batman V Superman ja auch so an. Ist dann aber nicht passiert. Dass Gal Gadot (Knight and Day – 2010) beim israelischen Militär ausgebildet wurde, tut manchen Kampfszenen gut; dass sie überdies im Vergleich zu ihren Auftritten in der Fast-and-Furious-Reihe ein wenig an Muskel- oder allgemein an Körpermasse zugelegt hat, lässt sie höchstens gesünder erscheinen, nicht jedoch als Titten-Thor. Gal Gadot gibt eine würdige Vorstellung als Heldin in einer Comicverfilmung – spätestens, wenn sie lächelt, muss sich der Rezensent aber aus der objektiven Beobachtung verabschieden; mit ihr kann DC’s Extended Universe noch Punkte sammeln.

Es ist im Vorfeld des Filmstarts darüber diskutiert worden, ob es klug war, für diese – in einer Hauptrolle erste echte – Superheldin eine Regisseurin zu verpflichten. Ich glaube, diese Besetzung liefert dem Genre allgemein einen frischen Blick, nicht nur dem Superheldengenre, sondern dem großen Summer-Movie-Genre insgesamt. Der Film strahlt in einer schon fast süßen Naivität seinem Sujet gegenüber, als habe ganz Macho-Hollywood nicht gewusst, wie es diese populäre, aber eben so weibliche Figur ins Kino bringen soll. Versuche hat es in den zurück liegenden Jahrzehnten immer wieder gegeben – Sandra Bullock sollte sie mal spielen, als eine der letzten machte Cobie Smulders (die Robin Scherbatsky aus "How I met Your Mother") Testaufnahmen in dem berühmten Kostüm. Dabei blieb es. In den 1970er Jahren gab es eine TV-Serie mit der Amazone in der Titelrolle, die aber in jeder Folge schon auch froh sein durfte, so einen stattlichen US-Captain an ihrer Seite zu haben, der sie mehr als einmal aus einer peinlichen Bredouille retten musste.

Dieses gegen die Widrigkeiten der Welt – damals – zu schützende Weib hat Regisseurin Patty Jenkins ("Monster" – 2003) als Prinzip beibehalten – aber den Sexismus gestrichen. Sie hat das damals schon albern wirkende, heute nur im Weg stehende Mann-Frau-Ding bestenfalls aus Männersicht zum Problem gemacht. Die Heroine geht ihren Weg, tut, was sie gelernt hat, und blöderweise hat ihre Mutter ihr die ein oder andere wichtige Kleinigkeit über das Leben, die Menschen und ihre Herkunft eben nicht gelehrt. Deshalb wirkt Diana Prince – "Wonder Woman" … ein Name, der im Film nur im Titel auftaucht – zwei Drittel des Films wie eine Teenagerin in einem Coming-of-Age-Movie, eine Art Simplicissima, die nur das Gute will, also das Böse – in diesem Fall einfach mal schnell den Kriegsgott Ares – ausschalten will.

Das ist einem Zuschauer im 21. Jahrhundert, der einen Film sieht, der im Ersten Weltkrieg spielt, dem ein Zweiter – noch heftigerer – folgen soll, schon einigermaßen schwer vermittelbar. Patty Jenkins schafft das mit leichter Hand, indem sie ihren menschlich-männlichen Figuren ihre Umgangsformen-Unsicherheiten lässt und ihren göttlichen Figuren ihre Arroganz; denn im Grunde läuft diese Armreif bewehrte Kämpferin durch die menschliche Welt, als würde sie sie nicht wirklich für Voll nehmen, eher wahrnehmen wie süße Karnickel im Laufstall, die sich hormonbedingt in die Haare kriegen. Tritt der britische (rein männlich besetzte) Kriegsrat zusammen, mischt sie sich wie selbstverständlich ein; sieht sie am Wegesrand ein Baby im Kinderwagen, ist ihre Begeisterung kaum zu bremsen.

Die – offenkundig albernen – Regeln der Menschen bedeuten ihr nichts. In diesem Teil hat der Film einen Durchhänger. Die Menschwerdung der Göttin dauert zu lang. Dianas verständnislose Fremdheit ist rasch fixiert, wird aber noch mal und noch mal inszeniert. Das aber führt zur zweiten – und größten Schwäche – des Drehbuchs. Denn David Thewlis steht während dieser Redundanzen als Patrick Morgan mehrfach in der Szene herum ohne rechte Funktion (irgendein hohes Tier im Kriegsrat halt). Und dann ist seine Rolle eigentlich auch schnell durch. Er ist aber David Thewlis, einer von den bekannten Gesichter der britischen Schauspieler-Camarilla („Die Entdeckung der Unendlichkeit“ – 2014; The Zero Theorem – 2013; R.E.D. 2 – Noch Älter. Härter. Besser. – 2013; Gefährten – 2011; London Boulevard – 2010; Basic Instinct – Neues Spiel für Catherine Tramell – 2006); so einer steht nicht zufällig ein paar Szenen in der Kulisse herum. Also warten wir früh auf die Überraschung, die dann, wenn sie aufpoppt, keine mehr ist.

Okay: Besserwisser-Zuschauer! Wer kennt schon David Thewlis? Nur weil der bei Harry Potter ab dem Gefangenen von Askaban (2004) den Professor Lupin gespielt hat? Aber in ihm – dem Kriegsgott Ares – personifiziert sich dann die wirklich große Schwäche dieses Films: Als Ares am Ende zu Staub verstrahlt am Boden liegt, da stehen deutsche und britische Offiziere auf, klopfen sich gegenseitig den Kriegsstaub aus den Uniformen und beenden ihre Kampfhandlungen, gehen wahrscheinlich ein Bier trinken. Da wird selbst für eine Comicverfilmung menschliche Schuld unschön auf das Treiben abstrakter Gottheiten verkürzt. Das ist tatsächlich ärgerlich.

Ärgerlich, weil der Film als solcher großen Spaß macht. Chris Pine, der als amtierender James Tiberius Kirk und als etabliertes Raubein mit Charme (Jack Ryan: Shadow Recruit – 2014; Das gibt Ärger – 2012; Unstoppable – Außer Kontrolle – 2010) hier als britischer Spion Steve eine programmierte Schwachstelle des Films sein müsste (ein zu prominenter Schönling, der der Titelheldin die Schau stehlen will), entpuppt sich als selbstironischer Held, der sich mit leichtem Spiel darauf versteht, die zweite Geige – und die mit dem bedauernswerten Geschlecht – zu spielen. Dass die DC-Showrunner Marvels Captain America studiert haben und Dianas Sidekick Steve mit Saïd Taghmaoui, Ewen Bremner und Eugene Brave Rock kodderschnauzige Mitkämpfer an die Seite gestellt haben, gibt ihm den – für die dann eben doch auch wieder eher männlich dominierte Zielgruppe des Films – notwendigen Raum zur heldenhaften Entfaltung. Sein Kampf mit den guten Buddies am Boden gegen das böse Senfgas entkoppelt sich irgendwann völlig von dem göttlichen Duell, das Diana mit Ares in einer anderen Ecke des Flugfeldes ausficht, und erinnert dann an alte Indiana-Jones-Tage, als der Archäologe sich in seinem ersten Abenteuer auf dem Nazi-Flugfeld um ein Flugzeug balgte. Und wenn dann alle Schurken am Boden liegen, sinkt die göttliche Diana mit ausgebreiteten Armen Jesus gleich zu Boden – Welt gerettet, alles gut, die Abenteuer der mit bombastischem Marketingaufwand anvisierten Justice League können beginnen.

Entscheidender als die Frage, ob eine Frau auf dem Regiestuhl den Ausschlag gegeben hat, scheint mir die Beobachtung: Die männlich dominierte Heldenfamilie des DC Universums nicht dem als Macho auftretenden Zack Snyder als Regisseur zu überlassen, ist die erste richtige Entscheidung der Warner-Bros.-Studios seit der Regie-Besetzung von Batman begins.

Wertung: 5 von 8 €uro
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