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Plakatmotiv: Die Brücke am Kwai (1957)

Ein großes Werk
der Filmkunst

Titel Die Brücke am Kwai
(The Bridge on the River Kwai)
Drehbuch Carl Foreman & Michael Wilson
nach dem gleichnamigen Roman von Pierre Boulle
Regie David Lean, UK, USA 1957
Darsteller

William Holden, Alec Guinness, Jack Hawkins, Sessue Hayakawa, James Donald, Geoffrey Horne, André Morell, Peter Williams, John Boxer, Percy Herbert, Harold Goodwin, Ann Sears, Heihachirô Ôkawa, Keiichirô Katsumoto, M.R.B. Chakrabandhu u.a.

Genre Krieg, Drama, Abenteuer
Filmlänge 161 Minuten
Deutschlandstart
7. März 1958
Inhalt

Ein japanisches Gefangenenlager in Burma während des Zweiten Weltkriegs: Hier sitzt eine Gruppe britischer Kriegsgefangener. Sie sollen eine hölzerne Eisenbahnbrücke über den Mae Nam Khwae Yai ("Kwai") errichten. Damit die Brücke termingerecht fertiggestellt wird, teilt der japanische Lagerkommandant, Oberst Saito, auch die britischen Offiziere zur Arbeit ein.

Plakatmotiv: Die Brücke am Kwai (1957)Der Kommandeur des gefangengenommenen Bataillons, Lieutenant Colonel Nicholson, widersetzt sich diesem Befehl. Er beruft sich dabei auf die Genfer Konvention, die Japan allerdings nicht unterschrieben hat. Saito reagiert mit drastischen Strafen, lenkt aber schließlich ein – die Offiziere werden von der körperlichen Arbeit befreit und erhalten Führungstätigkeiten.

Nicholson bemüht sich darum, dass seine Soldaten ihren Stolz und ihre Würde behalten und sich nicht wie einfache Sklavenarbeiter von den japanischen Bewachern erniedrigen lassen. Er will Saito die Überlegenheit der britischen Soldaten beweisen, indem er eine technisch aufwendigere Brücke in kürzerer Zeit errichtet, obwohl er sich bewusst sein muss, damit dem Feind zu helfen. Die Aufgabe treibt die Soldaten zu Höchstleistungen, und die Brücke wird rechtzeitig fertiggestellt. Saito muss nach der Fertigstellung indirekt die Überlegenheit der Gefangenen eingestehen.

Während dieser Zeit ist Commander Shears, ein Amerikaner, aus dem Gefangenenlager geflohen. Total erschöpft wird er zuerst von Einheimischen und dann in einem englischen Lazarett gepflegt. Als er sich erholt hat, wird er sofort wieder eingesetzt, um als Ortskundiger einem alliierten Kommando zu helfen, Nicholsons Brücke zzu sprengen …

Was zu sagen wäre

Eine Brücke verbindet Ufer, Länder, Kontinente – verbindet Menschen. David Leans Abenteuerfilm nutzt die Metapher der Brücke für eine Geschichte aus dem Krieg, aus einer Welt, in der das Befehl-und-Gehorsam-Prinzip gilt. „Die Männer haben Respekt vor Ihnen, und diesen Respekt braucht der Offizier. Darin sind wir uns doch wohl einig. Verliert er ihn, verliert er die Führung. Und was passiert dann? Demoralisierung. Und Chaos! Ein armseliger Vorgesetzter wäre ich, wenn ich es bei meinen Männern so weit kommen ließe.“ Colonel Nicholson sagt das und erklärt dem Zuschauer im Kinosessel damit, warum in den kommenden zweieinhalb Stunden passiert, was passiert.

Über zweieinhalb Stunden nimmt sich David Lean (Traum meines Lebens – 1955; Herr im Haus bin ich – 1954; Begegnung – 1945) in der Folge Zeit, um die Vor- und Nachteile dieser militärischen Grundhaltung durch zu deklinieren. Plötzlich sind es die Regeln des Befehl-und-Gehorsam, die die Kameradschaft festigen. Sie geben Halt, Orientierung, etwas, um überleben zu wollen. Gemeinsam! „An dieser Art Mut werden wir eines Tages alle verrecken“, sagt Commander Shears, der Amerikaner. Und schon fällt der erste britische Offizier nach stundenlangem stramm Stehen in der sengenden Sonne um.

Lieber Stolz und Tod, als lebendig und ohne Ehre. Der Codex der britischen Armee, den David Lean in seinem prachtvollen Abenteuerdrama beleuchtet, zeitigt bisweilen schmerzhafte Folgen, ist aber nicht verhandelbar. Alec Guinness ist die Verkörperung dieser unbeugsamen Haltung. Er ist ein starker Anker in diesem martialischen Film, der wenig menschliche Wärme bietet. Guinness' Colonel Nicholson ist kein warmherziger Mensch, aber einer, dem sich seine Männer vertrauensvoll anschließen können, weil die Regeln des Militärs, die Regeln Nicholsons, einfacher sind, als jene im richtigen Leben. Plakatmotiv: Die Brücke am Kwai (1957) Wohin das führt, wenn man das Hirn ausschaltet und den mechanischen Regeln folgt, zeigt Lean dann im Finale, wenn Nicholson zwischen Gehorsam und Realität nicht mehr unterscheidet.

Alec Guinness, der bisher vor allem in kleinen, feinen Komödien mit Variantenreichtum geglänzt hat (Ladykillers – 1955; "Die seltsamen Wege des Pater Brown" – 1954; Adel verpflichtet – 1949) spielt jetzt diesen Lieutenant Colonel Nicholson als einen strengen Offizier mit britischer All-over-the-World-Arroganz, der seine Männer kennt, seinen Auftrag kennt und die Genfer Konvention. Seine Männer lässt er pfeifend, aber im Gleichschritt ins Gefangenenlager marschieren, obwohl die kaum noch vernünftiges Schuhwerk am Fuß haben, wie Leans Kameramann Jack Hildyard in einer beiläufigen Einstellung herausstellt.

Schon diese ersten Bilder zeigen: Nicholson hat seine Leute mit Stolz und Strenge im Griff. „Ohne Gesetz gibt es keine Zivilisation, Commander!„ ”Das ist ganz meine Meinung. Und hier gibt es keine Zivilisation.“ „Dann haben wir jetzt die Gelegenheit, sie hier einzuführen. Ich schlage vor, nicht mehr von Flucht zu sprechen. … Ich erwarte, dass alles ohne Schwierigkeiten ablaufen wird und zwar schon von morgen an. Und vergessen Sie bitte nicht: Unsere Leute müssen immer das Gefühl haben, dass wir ihre Vorgesetzten sind und nicht die Japaner. Solange sie sich an den Gedanken klammern können, werden sie Soldaten sein und keine Sklaven!

Des britischen Colonels spiegelverkehrter Zwilling ist Jack Hawkins ("Versuchsmaschine CB 5" – 1957; "Land der Pharaonen" – 1955; "Der große Atlantik" – 1953; "Die schwarze Rose" – 1950; "The Flying Squad" – 1940) in der Rolle des schneidigen, durchtriebenen Major Warden, ein amerikanischer Geheimdienst-Offizier, der die brutale Version der Auftrag-geht-vor-Menschenleben-Philosophie lebt, „Wenn Sie einen Verletzten haben, müssen Sie ihn zurück lassen. Bei uns steht immer der Auftrag an erster Stelle!“ Colonel Nicholson, der strenge aber gerechte britische Offizier, würde so einen Satz nie sagen, ja, so einen Gedanken wahrscheinlich nicht einmal denken.

Als Vermittler zwischen diesen Werte-Welten steht Commander Shears, den William Holden als das gute Gewissen mit zynischer Note spielt. Holden (Sabrina – 1954; Boulevard der Dämmerung – 1950) ist ein smarter Sympathicus, der gelernt hat, sich in der unübersichtlichen Welt des Dschungels mit Freundlichkeit und Charme zu behaupten. Und auch schon mal in Zivilistenohren unsinnig klingende Befehle eines verwundeten Vorgesetzten ignoriert: „Sie werden ohne mich weitergehen. Sie übernehmen jetzt das Kommando, Shears.“ „Ich verweigere diesen Befehl! Sie machen mich krank mit Ihrem Heldengetue. Sie stinken quasi nach Tod. Sie tragen ihn in Ihrem Tornister wie die Pest. Dynamit und Giftpilzen, das passt gut zusammen, ja! Für Sie gibt es nur das eine: eine Brücke zerstören oder sich selbst zerstören. Dieser Krieg ist ja nur eine Spielerei! Sie und Colonel Nicholson sind aus demselben Holz: besoffen vor Tapferkeit. Wofür?? Wie stirbt man als Gentleman? Wie stirbt man nach Vorschrift?? Dabei ist doch das einzig Wichtige: Wie lebt man als menschliches Wesen??

Solche Töne erwartet man nicht unbedingt in einem Film über Krieg und Kameradschaft, klingen in diesem Film aber vollkommen vertraut. David Leans "The Bridge on the River Kwai" ist ein grandioser Film mit großartigen Bildern, vielschichtigen Charakteren und fantastischen Settings; er ist grandios nicht zuletzt auch deshalb, weil er im Grunde seine eigene Herstellung beschreibt. Als William Holden durch den Dschungel flieht, wenn er später mit dem Geheimkommando zurück muss, zeigt David Lean minutenlang, wie die Männer sich durch den Dschungel kämpfen. So, wie die Männer kämpfen, kämpft auch das Filmteam, das die schwere Kamera schon mal auf Schienen durch die Bäume fahren lässt. Da bekommt man einen Eindruck von der gewaltigen Arbeit, die das gesamte Filmteam da schultert – und dabei trotzdem noch mit klugen Einstellungen tiefe Stimmungen zu erzeugen.

Da ist zum Beispiel das simple Bild, um dem Zuschauer im klimatisierten Kinosaal die beständige Hitze im Dschungel zu verdeutlichen: Am Bildrand sitzt häufig ein schweigender Schwarzer, der einen großen Fächer bewegt, der dem schwitzenden Kommandanten in dessen Hütte ein wenig kühle Brise vermitteln soll. Es sind die Kleinigkeiten, mit denen Lean großes Kino gestaltet. Seine große Kunst zeigt sich auch in der Portraitierung des chinesischen Lagerkommandanten, der in anderen Filmen dieser Art der Teufel wäre; Leans Film gönnt dem Mann eine eigene Biografie, die aus dem vermeintlichen Monster einen Menschen macht – „Ich wollte eigentlich Künstler werden. Mein Vater meinte, ich müsse zum Militär.

Angenehm zurückhaltend gehen Lean und sein Komponist Malcolm Arnold mit dem Score des Films um. Neben dem zum Genre gehörenden wuchtigen Titelstück gibt es ganz viel Nichts. In Momenten, zu denen ob des hohen Budgets und schwieriger Filmlänge nervösere Regisseure jede Menge Gefiedel komponieren ließen, hören wir bei Lean lange Zeit nur die Geräusche des Urwalds. In den lezten zwanzig Minuten inszeniert er die Dramaturgie der Zerstörung der Brücke über die verschiedenen Protagonisten mit den verschiedenen Interessen ohne Musik und weitgehend ohne Dialoige. Das führt dazu, dass wir uns im Kinosessel ganz auf das Geschehen auf der Leinwand einlassen, dessen Ausgang wir nicht ahnen, weil da keine Musik ist, die uns die Stimmung vorschreibt.

Was macht einen großen Film aus? Zum Beispiel seine Stille.

Plakatmotiv: Die Brücke am Kwai (1957)

Wertung: 7 von 7 D-Mark
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