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Plakatmotiv: Das Kartell (1994)

Ein White-House-Thriller nach
Tom Clancy mit Top-Besetzung

Titel Das Kartell
(Clear and Present Danger)
Drehbuch Donald Stewart & Steven Zaillian & John Milius
nach dem Roman "Der Schattenkrieg" von Tom Clancy
Regie Phillip Noyce, USA 1994
Darsteller

Harrison Ford, Willem Dafoe, Anne Archer, Joaquim de Almeida, Henry Czerny, Harris Yulin, Donald Moffat, Miguel Sandoval, Benjamin Bratt, Raymond Cruz, Dean Jones, Thora Birch, Ann Magnuson, Hope Lange, Tom Tammi, Tim Grimm, Belita Moreno, James Earl Jones, Jorge Luke, Jaime Gomez, Jared Chandler, Greg Germann, Ellen Geer, Ted Raimi, Vondie Curtis-Hall u.a.

Genre Thriller
Filmlänge 141 Minuten
Deutschlandstart
29. September 1994
Inhalt

Ein enger Freund des US-Präsidenten wird ermordet. Jack Ryan, CIA-Analytiker, findet heraus, dass der Mann unter dem Vorwand einer Supermarktkette Geld für das kolumbianische Drogenkartell gewaschen hat. Der Präsident will den Tod seines Freundes rächen. Seinem Sicherheitsberater gegenüber erklärt er das kolumbianische Drogengeschäft zur „klaren, eindeutigen Gefahr” („Clear and Present Danger”) für die Vereinigten Staaten.

Mehr muss er nicht sagen, sein Sicherheitsberater hat den Wink auch so verstanden – eine klare, eindeutige Gefahr heißt, der Präsident darf den Einsatz von Waffen befehlen. In einer geheimen Operation stellt er über CIA-Vize Ritter eine Elite-Einheit zusammen, die bei den Drogenbossen ordentlich aufräumen soll. Leiter vor Ort ist der erfahrene John Clark. Ein Schattenkrieg im Hinterhof der USA beginnt, von dem die Öffentlichkeit nichts ahnt. Denn so ganz klar und eindeutig ist die Gefahr nun auch nicht. Deshalb hat der Präsident auch nichts ausdrücklich befohlen und schon gar nicht Senat und Repräsentantenhaus informiert.

In dieser Situation fällt Admiral James Greer aus, Ryans väterlicher Freund und Vorgesetzter. Greer leidet unheilbar an Krebs. Er setzt Ryan als Vertreter auf seinen Stuhl: „Und halten sie ein Auge auf Ritter. In Washington gibt es nur eine Überlebensregel … Vertraue niemanden!” Während Ryan noch versucht, auf dem glatten Parkett der White-House-Diplomatie nicht auszurutschen, steckt er, ohne etwas zu ahnen, mit beiden Beinen mitten in einem unerklärten, illegalen Krieg.

In die Enge gedrängt macht der Berater eines Drogenbarons dem Sicherheitsberater im Weißen Haus ein attraktives Angebot: Eine Verschwörung innerhalb des Kartells soll die Machtverteilung zu seinen Gunsten neu ordnen. Die USA sollen sich raushalten und bekommen dafür regelmäßig dicke Fische ins Netz, deren Verurteilung öffentlichkeitswirksam verbreitet werden kann. Dafür muss Washington lediglich die amerikanischen Elite-Soldaten, die sich im kolumbianischen Urwald verstecken, von der Versorgung abknipsen und den Kolumbianern überlassen.

Admiral Greer stirbt. John Clark tobt. Ritter erklärt ihm, Ryan sei an dem Irrsinn, dem Verlust der Männer schuld. Kurz darauf hält Clark Ryan eine großkalibrige Waffe an den Kopf. Jack Ryan wird beweisen müssen, dass er unschuldig ist. Und er tut das sehr eindringlich …

Was zu sagen wäre

Nach diesem Film wirkt der vorherige, Die Stunde der Patrioten, noch dünner. Jack Ryan ist wieder Analyst, Denker – wie in den Romanvorlagen. Kein Actionheld mehr. Harrison Ford wird in diesem Film eingeführt als Bürohengst, der sich anschickt, mit den diplomatischen Bürogeplänkeln in Washington umgehen zu lernen. Ire steht jetzt in der Hierarchie etwas höher als zuletzt. Als der stellvertretende Direktor James Greer ausfällt, wird Ryan sein kommissarischer Nachfolger, der sich vor allem mit Bürointrigen zwischen dem Weißen Haus der CIA-Zentrale in Langley herumschlagen muss.

Die Action übernehmen die dafür ausgebildeten Fachleute, unter ihnen John Clark, Ex-CIA, heute Freelancer, und in den Clancy-Romanen sowas wie der dunkle Spiegel des strahlenden Helden Jack Ryan. Willem Dafoe spielt den knallharten Einsatzprofi der CIA mit der ganzen Wucht eines cleveren Alpharüden (In weiter Ferne, so nah! – 1993; Geboren am 4. Juli – 1989; Mississippi Burning – 1988; Platoon – 1986; Leben und Sterben in L.A. – 1985; Straßen in Flammen – 1984; Begierde – 1983; Heaven's Gate – 1980). Die Bildsprache übernimmt wieder Director of Photography Donald McAlpine (Mrs. Doubtfire – 1993; Die Stunde der Patrioten – 1992; Auf die harte Tour – 1991; Predator – 1987), der sich hier spürbar wohler fühlt, als bei der IRA-Posse vor zwei Jahren und die in diesen Geschichten so unerlässlichen Helden der US-Forces mit ihren militärischen Gadgets strahlen lässt. Nach diesem Film weiß man, was bei Die Stunde der Patrioten gefehlt hat: die US-militärische Familie, die schnurrt, wie ein Uhrwerk – selbst wenn auch hier wieder der seit Vietnam traumatisierende Moment kommt, in dem Washington seine Jungs im Dschungel nicht nur zurück, sondern auch dem Feind überlässt.

Der vorliegende Film startet gleich mit einem Grenzschutz-Einsatz auf wogender See mit Boatpower und autoritärer Strenge. Als er zwei Schnitte später im Weißen Haus ist, beginnen die seifigen Intrigen. Man kann das als Klischeepatriotismus geißeln. Aber es ist auch klares Storytelling mit einem klar definierten Helden.

Jack Ryan sitzt am Computer, durchforstet Audioaufnahmen, treibt seine Techniker an, während im kolumbianischen Dschungel Clark mit seinen Leuten den schmutzigen Rest erledigt. Von dem freilich Ryan zunächst gar nichts weiß. Clark auch nicht – er ist Opfer der seifigen Zustände zwischen White House und CIA. An dieser Stelle wächst auch die Vorfreude auf weitere Filme, sofern sie sich an die Reihenfolge der Romanvorlagen halten. Mit Harrison Ford hatten die Produzenten drei Jack-Ryan-Filme vereinbart. Er könnte also mit John Clark in einem weiteren Film die Basis für eine gute Serie legen.

Die Story als solche ist monströs: Der Präsident der Vereinigten Staaten bricht einen "Schattenkrieg" (so der deutsche Titel der Romanvorlage) vom Zaun, weil ein Drogenboss des Präsidenten Schulfreund samt Familie ermorden ließ. Eine Privatfehde, für die US-Navy, die Marines und deren Flugzeugträger eingesetzt werden. Auf der anderen Seite sucht ein windiger Drogenboss-Berater sein Heil in einer groß angelegten Intrige, die mehrere dutzend Tote fordert inklusive Kinder und Frauen.

Die beste Szene hat der Film in den Straßen Kolumbiens hat, wo Schergen der Drogenbarone drei gepanzerte Vans des US-Geheimdienstes mit Panzerfäusten zerlegen, während wir im Kinosessel uns mit vor Staunen offenem Mund fragen, ob das reines Kintopp ist, oder ob das eine Realität dort drüben widerspiegelt, die wir hierzulande kurzerhand ausblenden: Ein Drogenkartell ballert einen diplomatischen US-Konvoi aus der Welt, auch weil es glaubt, damit unbeschadet durchzukommen. Weil die ehemals zum Fürchten mächtigen USA vielleicht längst nicht mehr so mächtig sind – was die nur noch nicht bereit sind zur Kenntnis zu nehmen?

Harrison Ford hat sich nochmal ganz neu mit der Jack-Ryan-Rolle auseinandergesetzt und trifft jetzt sehr viel mehr den Ton der geschriebenen Vorlage (Auf der Flucht – 1993; Die Stunde der Patrioten – 1992; In Sachen Henry – 1991; Aus Mangel an Beweisen – 1990; Die Waffen der Frauen – 1988; Frantic – 1988; Mosquito Coast – 1986; Der einzige Zeuge – 1985; Blade Runner – 1982; Jäger des verlorenen Schatzes – 1981; Ein Rabbi im Wilden Westen – 1979; Apocalypse Now – 1979; Krieg der Sterne – 1977; "Der Dialog" – 1974; American Graffiti – 1973). Seine rührende Improvisationsfähigkeit in explosiven Situationen – um dort sich und die Kollegen rauszubekommen – ist in ihrer unbedingten Entschiedenheit ebenso hinreißend, wie sein langsames hinter-die-Bürointrigen-Steigen, während er noch die richtige Krawatte zum gedeckten Anzug auswählt, weil er im Oval Office Bericht zu erstatten hat. Zwischen diesen Szenen ist er herrlich pissed off.

Ein großer Abschied ist zu beklagen: Die Beisetzung von Admiral Greer, gegengeschnitten mit Jagdszenen auf die amerikanischen Soldaten im kolumbianischen Urwald, lässt uns Abschied nehmen von James Earl Jones, der Station-Voice von CNN und Originalstimme von Darth Vader (Feld der Träume – 1989; Der Prinz aus Zamunda – 1988; Quatermain II – Auf der Suche nach der geheimnisvollen Stadt – 1986; Conan, der Barbar – 1982; Exorzist II: Der Ketzer – 1977).

Der im Film thematisierte "War on Drugs" der USA gegen die mittel- und südamerikanischen Kartelle läuft in der Realität seit 1972/73. Warum er offensichtlich so gar nichts bewirkt, schimmert im vorliegenden Film durch: Die US-Bürger wollen die Drogen, US-Ermittlungsbehörden brauchen für Presse und Öffentlichkeit als Tätigkeitsnachweis spektakuläre Festnahme von Kurieren, Ladungen und/oder Mittelsmännern, und die Kartelle sind in der Lage, alle Seite zu befriedigen. Sie können Drogen für die US-Bürger, gleichzeitig manchmal Mittelsmänner für die Pressefotos ans Messer liefern und selber weiter den großen Reibach machen. Im Grunde – sagt dieser hochspannende Film – ist das der US-Regierung einerlei.

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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