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Plakatmotiv: Königin für tausend Tage (1969)

Üppig bebildertes Drama um amouröse
Ränkeschmiede und königliche Geilheit

Titel Königin für tausend Tage
(Anne of the Thousand Days)
Drehbuch Bridget Boland & John Hale & Richard Sokolove
nach einem Theaterstück von Maxwell Anderson
Regie Charles Jarrott, UK 1969
Darsteller

Richard Burton, Geneviève Bujold, Irene Papas, Anthony Quayle, John Colicos, Michael Hordern, Katharine Blake, Valerie Gearon, Michael Johnson, Peter Jeffrey, Joseph O'Conor, William Squire, Esmond Knight, Nora Swinburne, Vernon Dobtcheff u.a.

Genre Biografie, Drama, Historie
Filmlänge 145 Minuten
Deutschlandstart
27. August 1970
Inhalt

England 1536: Hofdame Anna Boleyn weiß genau, was sie will: Die Krone von England.

Als König Heinrich VIII. auf das bezaubernde Geschöpf aufmerksam wird, ist es um ihn geschehen. Für die Scheidung von seiner ungeliebten ersten Gattin lässt er es sogar auf einen Bruch mit dem Papst ankommen.

Der Heirat mit Anna folgt die Geburt einer Tochter, doch Heinrichs Interesse hat sich bereits auf die nächste Schönheit verlagert …

                          Plakatmotiv: Königin für tausend Tage (1969)

Was zu sagen wäre

Die Welt wird von Männern regiert. Sie werden keine wahre Macht finden zwischen den Schenkeln einer Frau!“, ätzt Cardinal Wolsey. Und wie sehr er sich täuscht. Der Film tritt an, das Gegenteil zu zeigen.

In diesem Königsdrama bringt eine Frau die englische Krone an den Rand ihrer Verzweiflung. Ein junges Mädchen, dem, weil der König ein Auge auf es geworfen hat, böse mitgespielt wird, lernt bei Hofe schnell, die richtigen Fäden zu ziehen um zu bekommen, was es haben möchte. Solange sie den König auf Abstand halten kann, hat sie die Oberhand.

Da kann sogar Richard Burton (*November 1925) nicht gegen an. Er hat aber auch Genevieve Bujold (*Juli 1942) als Gegen-, Mitspielerin, die zwar aussieht wie ein hübsches kleines Pflänzlein, aber berechnend wie ein Heeresführer in der Schlacht agiert. „Bist Du also auch in des Kardinals Schule gegangen?“, fragt sie ihn. „Nein. Nein. Ich war bei einem wirklichen Meister, meinem Vater. Was es damals an Schurkereien noch nicht gab, als Heinrich VII. geboren wurde, erfand er, bevor er starb. Aber die eine, die wichtigste Lehre, die er mich zu befolgen hieß, lautete: Halte Dir immer die Kirche auf deiner Seite.“ „Nun, jetzt hast Du aber die Kirche auf einer Seite und Du hast mich auf der anderen Seite.

Wunderbar die Szene, als Anne dem schmachtenden König im Beisein des Kardinals klarmacht, dass der Kardinal nicht nur reicher ist als der König sondern auch mehr Titel auf sich vereinigt. Und der Kardinal daraufhin plötzlich sehr klein ist. Es ist ein Mord-und-Totschlag-Drama und aller Mord und aller Totschlag findet nur über den Dialog statt. Und die Herrschenden berufen sich auf Gottes Wille; der sei es schließlich gewesen, der ihm, Heinrich, nur tote Söhne geboren, weil er sich mit der Spanierin Katharina in einer inzestuösen Beziehung befunden habe. So geht Machtspiel. Charles Jarrott fasst das in mächtigen Mauern, verschwörerischen Blicken und unbekümmert vorgetragenen Zoten auf höchster Ebene in weitläufigen Parkanlagen. Ein üppiges Fest auch fürs Auge.

Es wirkt wie eine Frage der Männerehre für den Schauspieler und Mann Richard Burton, dass Anne, als die erste Liebesnacht dann doch vor der Hochzeit vorbei ist, auf weitere Privilegien wie tote Bischöfe und zwingende Eheschließung verzichten will, weil der König, vulgo: Burton halt so gut war im Bett. Eine unangenehme Szene, weil sie nicht zu Annes bisheriger Charakterzeichnung passt: Die harte Strategin, die sich geschickt in den Wirren der Männerbünde über Wasser hält, ist plötzlich wachsweich in den Armen des Königs, Mannes, Befriedigers. Anne wird gespielt von einer leidenschaftlichen Geneviève Bujold (Der Dieb von Paris – 1967), die eben noch süß lächelt und im nächsten Augenblick kalte Härte in ihren Blick legt. Richard Burton ist Heinrich VIII (Agenten sterben einsam – 1968; "Die Stunde der Komödianten" – 1967; Der Widerspenstigen Zähmung – 1967; Wer hat Angst vor Virginia Woolf? – 1966; Der Spion, der aus der Kälte kam – 1965; Die Nacht des Leguan – 1964; Cleopatra – 1963; Der längste Tag – 1962; Das Gewand – 1953). Er ist es wahrlich. Gewohnt großspurig Tritte er auf, kann die Paläste Mitt seiner donnernden Bass-Stimme bis in die letzte Ecke durchdringen, ist flegelhaft, charmant, flehent wie klug. Die Besetzung ist großartig.

Der Film würfelt die historischen Begebenheiten ein wenig durcheinander. Hier ist Annes Schwester Mary bereits früher einfaches "Opfer" der königlichen Libido geworden und bereits unehrenhaft abgehakt. Tatsächlich war sie eine mit Sir William Carey verheiratete Frau, als Heinrich VIII auf sie aufmerksam wurde. Sir William spielt in diesem Film keine Rolle. Es gibt da auch noch manch andere historische Ungenauigkeit. Aber dies ist Kino, nicht Geschichtsstunde (s.u.). In den insgesamt 145 Minuten, die der Film dauert, entfaltet er ein kraftvolles, süffiges Panorama der Tudorzeit im 16. Jahrhundert, in der die Mächtigen in Staat und Kirche ihre Posten mit einer gewissen Ironie besetzen. Der Kardinal weiß ebenso wie der König, dass die Macht, die sie ausüben, lediglich ihrer Position geschuldet ist, nicht weil sie sonderlich geliebt würden. Sie halten die Anbetung ihrer Person zwar für selbstverständlich, wissen aber, dass sie der Angst geschuldet ist, weil sie Herr über Leben und Tod sind. Letztlich auch über die Frauen. Da aber nur im letzten Schritt, wenn sie eine Frau aufs Schafott schicken. Bis dahin hat die Frau, wenn sie klug handelt, jede Menge Macht in dieser Welt.

Wertung: 7 von 8 D-Mark
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