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Kinoplakat: Carrie (2013)
Die Neuverfilmung geht gut los und scheitert
an derselben Verzagtheit, wie ihr Vorgänger
Titel Carrie
(Carrie)
Drehbuch Lawrence D. Cohen + Roberto Aguirre-Sacasa
nach dem gleichnamigen Roman von Stephen King
Regie Kimberly Peirce, USA 2013
Darsteller

Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Gabriella Wilde, Portia Doubleday, Alex Russell, Zoë Belkin, Ansel Elgort, Samantha Weinstein, Karissa Strain, Judy Greer, Katie Strain, Barry Shabaka Henley, Demetrius Joyette, Arlene Mazerolle, Evan Gilchrist u.a.

Genre Horror
Filmlänge 100 Minuten
Deutschlandstart
5. Dezember 2013
Website carrie-movie.com
Inhalt

Carrie White ist ein graues Geschöpf. Die Haare rot und stumpf, die Kleider, graublau, hängen ihr wie ein Sack von der Schulter. Ihr Blick, immer gesenkt. Um die dauernden Anfeindungen nicht ertragen zu müssen – „Carrie White frisst Scheiße“ schreiben ihre Mitschüler in weißer Wandfarbe quer über ihren roten Spind. Carrie White ist nicht zu beneiden – in die Isolation geprügelt von einer streng gläubigen, allein erziehenden Mutter, in die innere Emigration ausgestoßen von den Mitschülerinnen.

Kinoplakat: Carrie (2013)Nach dem Sportunterricht, unter der Dusche, bekommt das junge Mädchen seine erste Monatsblutung. Niemand hatte sie aufgeklärt, ihre Mutter sie immer in den Wandschrank gesperrt, wenn sie unzüchtige Gedanken bei der Tochter zu spüren glaubte. Jetzt, unter der Dusche, erfasst Panik das blutende Mädchen. Und ihre Mitschülerinnen … lachen sie aus, machen Bilder mit ihren Handys, bewerfen sie mit Tampons und Montasbinden. Ihr Kreislauf rast, ihr Geist sucht nach Schutz, Neonröhren platzen, die in der Dusche nass gewordenen Tampons fangen an, sich zu bewegen, ihre Lehrerin, Ms. Desjardin bekommt das nicht mit – immer noch toben die Mädchen draußen, sie hat ihre Schülerin Carrie gerade geschlagen, zwar nur, um sie aus ihre Schockstarre zu befreien, aber eben doch geschlagen und nun hat sie alle Mühe, Carrie zu beruhigen. Und Carrie beruhigt sich. Langsam. Aber sie hat etwas in sich entdeckt. Kräfte

Eines der umstehenden Mädchen, Sue Snell, optenzielle Ballkönigen beim anstehenden Abschlussball und mit dem heißesten Typen der Schule zusammen – Sue Snell plagen Gewissensbisse. Das, was sie und ihre Freundinnen da getan haben, war falsch. Und als Ms. Desjardin ihre Freundin Chris, die sogar ein Video von der Duschszene ins Internet gestellt hat, vom Abschlussball ausschließt, hält es auch Sue für das Beste, auf diesen großen Traum zu verzichten – aus Reue. Ihren Freund, Tommy Ross, überzeugt Sue, statt ihrer mit Carrie auf den Ball zu gehen.Carrie sind die Einladung und die plötzlichen Freundlichkeiten ausgerechnet der beliebtesten Schülerinnen und Schüler verdächtig; eigentlich will sie Tommys Einladung gar nicht annehmen. Aber als dann ihre Mutter in religiösem Wahn Carrie unltimativ verbietet, mit einem Jungen auszugehen und über die Erbsünde der Frau zu predigen beginnt, entscheidet Carrie sich um; sie hat ihre Kräfte mittlerweile besser unter Kontrolle, hat in der Bibliothek gelesen, man nenne es Telekinese. Ihrer Mutter erklärt nun Carrie ultimativ, dass se auf den Abschlussbal gehen werde und nicht mehr darüber diskutieren wolle – Carrie hat schlagende Argumente.

Chris allerdings denkt, anders als Sue, überhaupt nicht an Reue. Sie denkt an Rache, weil sie wegen Carrie White nicht zum Ball darf – und entwirft einen perfiden Plan, in dem der Ball, die Ballkönigin und Schweineblut eine wesentliche Rolle spielen. Auf dem Höhepunkt des Balles, in Carrie Whites glücklichsten Augenblick setzt Chris ihren Plan in die Tat um. Erschrockene Totenstille im Ballsaal ist die unmittelbare Folge.

Und dann lässt Carrie, außer sich, ihre neu entdeckten Kräfte frei. Eine Katastrophe nimmt ihren Lauf …

Was zu sagen wäre

Einer der seltenen Fälle, in denen ich eine Neuverfilmung nachgerade erbeten habe. Mein Lieblingsbuch von Stephen King war schon einmal verfilmt worden (Carrie – Des Satans jüngste Tochter – 1976) und damals hörte die Geschichte in dem Moment auf, wo im Buch erst die Hölle so richtig losbricht. Und da hatte Brian De Palma dann noch einen Schluss-Gimmick geklebt, der nach Hilflosigkeit – wie soll ich diesen Film bloß beenden? – aussah und eine Fortsetzung möglich machte. Kurz: Jetzt, knapp 30 Jahre später, wäre eine neue Kinoversion, die der literarischen Vorlage mehr Respekt – und die Spezial Effekte des 21. Jahrhunderts – entgegenbrächte, sehr angebracht.

Kinoplakat: Carrie (2013)Wieder bleibt das Inferno aus

Und Kimberly Peirce macht mit ihren Autoren, Lawrence D. Cohen und Roberto Aguirre-Sacasa, denselben Fehler, wie Brian De Palma. Man merkt der Regisseurin des beklemmenden Mädchendramas Boys don't cry (1999) an, dass sie sich für das Mädchen Carrie White interessiert – nicht gar so sehr für das, was auf die Pein folgt. Peirce verfilmt ein Coming-of-Age-Drama, bei dem halt Messer fliegen statt Teller und Fäuste. Wieder also verpufft das finale Inferno auf das Notwenigste und wieder gibt es so ein idiotisches Schlussbild, das as dem armen, gepeinigen Teenager-Mädchen irgendeinen dieser durchschnittlichen Hollywood-Untoten werden lässt; das macht alles, was die Kreativen vorher richtig gemacht haben, in sich zusammenfallen. Pffft … Luft raus, Abspann.

Denn Peirce hat eine Menge richtig gemacht, das geht schon bei der Besetzung los: Julianne Moore („The English Teacher“ – 2013; Crazy, Stupid, Love. – 2011; „The Kids Are All Right“ – 2010; „A Single Man“ – 2009; „The Hours“ – 2002; Schiffsmeldungen – 2001; Evolution – 2001; Hannibal – 2001; „Magnolia“ – 1999) ist eine diabolisch streng-gläubige Horrormutter mit Herz, und Kameramann Steve Yedlin schenkt ihr ein paar Einstellungen, in denen sie wie die zornige Wiedergängerin aus Adams Rippe wirkt – gruslig gut. Gabriella Wilde (Die drei Musketiere – 2011; „St Trinian's 2: The Legend of Fritton's Gold“ – 2009) ist eine entzückende von Gewissensbissen geplagte Sue; außerdem ist sie einfach sehr hübsch – Kino hat ja auch was mit Gucken zu tun.

Chloë Grace Moretz, 16 Jahre, eine Entdeckung

Am großartigsten aber ist Carrie selbst – Chloë Grace Moretz (Dark Shadows – 2012; Hugo Cabret – 2011; „Runaway Girl“ – 2011; „Texas Killing Fields“ – 2011; „Gregs Tagebuch – Von Idioten umzingelt!“ – 2010; Let me in – 2010). Sie kennt man bislang eher aus comichaften Einzeller-Rollen, wie dem Hit-Girl aus den Kick-Ass-Filmen, die über Special-Effects erst cool werden. Als Carrie zeigt die erst 16-Jährige die ganze Bandbreite an Gefühlen – Verschlossenheit, Angst, Schrecken, Freude, Glück, Sanftmut, dämonischer Zorn – und mausert sich vom grauen Mäuschen zum strahlenden Schwan zum Racheengel.

Schade, dass Kimberly Peirce Chloë Grace Moretz nicht noch ein bisschen Inferno hat zelebrieren lassen, denn bis dahin habe ich gebannt zugeschaut – natürlich war da die Vorfreude auf das, was kommen sollte (ich habe Carrie damals in einer Nacht zweimal verschlungen, finde die Geschichte um Mobbing, Mächte und mörderische Mädchen mit all ihren Allegorien grandios), aber es ist auch das eng getaktete Script, die eleganten Bilder, der subtil aufsteigende Horror und – wieder – mein Grundhorror vor solchen Schulerlebnissen, die mich fesseln. Was ich nicht verstehe: Warum hat Kimberly Peirce nicht das Buch verfilmt, sondern die De-Palma-Version neu inszeniert? Lawrence D. Cohen, der als Autor aufgeführt ist, hat auch das Script zur 1976-Version geschrieben. Manchmal wirkt der Film einfach nachgedreht – mit Zeitlupe und Hall-Effekten hat De Palma in entscheidenden Situationen auch schon gearbeitet.

Diese 2013er-Version von Carrie mit ihren wenigen interessanten Schauwerten kann man sich angucken … an einem langweiligen Donnerstagabend.

Wertung: 3 von 7 €uro
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