37 n. Chr. im alten Rom: Der von Krankheit gezeichnete Kaiser Tiberius sucht einen Nachfolger. Deshalb holt er Gaius, auch Caligula genannt, in seinen Palast. Caligula wittert die Chance seines Lebens. Er tötet Tiberius, bemächtigt sich des kaiserlichen Siegelrings und lässt sich zum neuen Imperator ausrufen.
An der Seite seiner Geliebten (und Schwester) Drusilla führt er ein ausschweifendes Leben und ein hartes Regiment. Im Verlauf der Handlung wird seine Abhängigkeit von Drusilla immer deutlicher. Sie nennt ihn „Stiefelchen“ (Caligula: lateinisch für „Soldatenstiefelchen“, Diminutiv zu caliga).
Das Leben am Hofe ist fortschreitend durch Dekadenz und Ausschweifungen aller Art geprägt. Dabei werden mehr und mehr die geltenden Regeln ignoriert. So fordert Caligula von einem jungen Paar noch während der Hochzeit sexuelle Unterwerfung und lässt den Bräutigam schließlich ermorden. Die Ehefrauen unliebsam gewordener Senatoren zwingt er zur Prostitution, die Senatoren lässt er verbannen oder ermorden. Höhepunkt der Grausamkeiten ist der Auftritt einer riesigen Sensenmaschine, mit der im Boden des Circus Maximus eingegrabene Verräter geköpft werden.
Als er sich zum Gott ernennt, formiert sich der Widerstand gegen den Tyrannen …
Ein Despot und Königsmörder, der mit seiner Schwester intrigiert und schläft. Herrscher über ein Riesenreich, der ein Pferd zum Konsul macht. Mit Wahnsinnigen an der Spitze eines Reiches kannte sich William Shakespeare gut aus und Tinto Brass versucht viel, um seinen Sandalenporno in shakespear'schem Glanz zu zeigen. Er steigt – „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt beherrschte, wenn er darüber seine Seele verliert“ – mit einem Zitat des großen Dichters ein, er lässt die Orgien der Kaiser Tiberius und Caligula wie auf einer Theater-Bühne inszenieren. Der Kaiser des Reiches ist sein größter Zyniker: „It doesn't matter! It's only a Show!“, sagt Caligula über seine brutale Herrschaft. Und Sir John Gielgud, großer Shakespeare-Interpret spielt auch – kurz – mit.
„Das Schicksal hat mich auserkoren, Schweine zu regieren“, sagt der von Syphilis gezeichnete Noch-Caesar Tiberius angesichts der nackten Wichser und bumsenden Vaginas in seinem Hofstaat: „So wurde ich ein Schweinhalter!“ Tinto Brass zeigt den Alten als Opfer einer amorphen Masse, die ihn umgebracht hätte, hätte er nicht die „Regierungsgeschäfte“ an sich gerissen. Diese Geschäfte selbst, irgendwelche Politik, spielt in diesem Film keine Rolle. Peter O'Toole spielt diesen Tiberius mit Lust auf Dekadenz ("Freitag und Robinson" – 1975; Wie klaut man eine Million? – 1966; Was gibt's Neues, Pussy? – 1965; Lawrence von Arabien – 1962). Er und Gielgud rezitieren ihre Texte in teilnahmslosem, lupenreinem british accent und behaupteten später, nicht geahnt zu haben, in was Tinto Brass ihre Szenen schneiden würde. Sie waren rechtschaffen empört – glauben kann ich das nicht, da reicht ein Blick auf die nackten Menschen, die es überall in der Kulisse miteinander treiben.
Zum Beispiel lässt O'Tool als Tiberius einem Legionär der Palastwache die Genitalien abbinden, füllt ihn ab mit literweise Rotwein und sticht ihm dann in den Bauch, der prompt platzt, wie ein Luftballon: „Jetzt ist er glücklich. Ausgebildet als einfacher Soldat, wurde ein Schwein aus ihm.“ Die Macht Roms als zynisch jungenhafte Inkompetenz menschlicher Albernheit voll nackter Verderbtheit (es handelt sich um eine Penthouse-Produktion), wichsender Palast-Sklaven und absoluter Skrupellosigkeit, Unmoral. Irgendwie wie bei Macbeth. Ist aber eben nicht Macbeth.
Ausschweifungen. Absolute Macht. Viel nacktes Fleisch. Dann wird ein Penis abgeschnitten und Hunden hingeworfen, die ihn laut schmatzend verzehren. Das macht es schwer, dem intendierten Drama zu folgen. Offenbar geht es um die filmische Version der Erkenntnis: Alle Politik ist Sex. Wer kann sich mit wem wo fortpflanzen/multiplizieren. Der Film reduziert Staatsgeschäfte auf eine Schwanzlänge. Und ist es nicht genau das: Wer hat den längeren?
Brass und sein Autor Gore Vidal versuchen sich am Porträt einer Gesellschaft, der die äußeren Feinde abhanden gekommen sind. Es wartet der Feind im Inneren: die Dekadenz. Die Ironie daran: Caligula war bösartig und gemein, aber ein nach Sicht der Dinge klarer Kopf. Als seinen Nachfolger machten die Bürger Roms Caligulas Onkel Claudius zum Kaiser und Gott. Der litt an physischen Einschränkungen, wird in Tinto Brass' Film als debil gezeichnet, aber ausgerechnet der erwies sich trotz seines Mangels an politischer Erfahrung als fähiger Verwalter, befriedete und entspannte die blutigen Auswirkungen seiner Vorgänger und ließ viele Häuser und Tempel bauen. In seine Herrschaftszeit fällt mit der Eroberung Britanniens die erste territoriale Erweiterung des Römischen Reiches seit der Zeit des Augustus'.
Brass reiht Anekdoten mit blutigem Ausgang aneinander. Den Imperator kann halt niemand stoppen, es gibt keinen Dämon, keinen Antagonisten. So sitzen wir, schauen und warten auf irgendein Ende des nackten und blutigen Dramas, in dem Malcolm McDowall nur als Titelfigur besetzt ist, weil er in Kubricks Uhrwerk Orange so beeindruckend Augen rollen konnte. Spielerisch überzeugt er als Caligula nicht, er bleibt Augen rollende Fassade.
Es beginnt in Shakespeares Macbeth und Henry V. und endet in Shakespeares Julius-Caesar-Kulisse – Tinto Brass versucht in jeder Einstellung, seine sexistische Vision literarisch zu überhöhen. Allein: Es bleibt immer plump. Brass redet sich auf die freie Entfaltung der freien Kunst raus, liefert aber nur plumpen Voyeurismus. Nackte Schwänze, Titten, Mösen im Dutzend unübersichtlicher.
Ich habe den Film kurz vor meinem 19. Geburtstag im Filmtheater am Rudolfplatz in Köln gesehen, damals noch in einer ungeschnitten Zweieinhalb-Stunden-Fassung. Ich bin sehr verunsichert aus dem Kino gekommen und bin abends schlecht eingeschlafen. Mir wurde ein Rom gezeigt, in dem der allmächtige Imperator mordet, vergewaltigt, foltert, kastriert wie es ihm gerade beliebt.
<Nachtrag2012>Der Film ist nicht nur radikal gekürzt worden, wenn er überhaupt mal aufgeführt werden durfte, er wurde auch hemmungslos umgeschnitten. Die seit Oktober 2012 erhältliche offizielle-FSK-18-Fassung fängt mit nacktem „Hasch mich“ im sonnigen Wald an – eine Szene, die im ursprünglichen Film (damals kurz vor meinem 19. Geburtstag) noch irgendwo mittendrin war. Sobald ich mich damals von meinem Ekel erholt hatte, fiel mir kein Zugang zu dem Film ein. Römisches Kaiserportrait? Naja … Ausschweifungen der herrschenden Klasse im alten Rom als Spiegelbild heutiger Verhältnisse in der Politik? Weia … Ein komplett in die Hose gegangenes Cäsarendrama shakespeareschen Ausmaßes? Vielleicht!</Nachtrag2012>
Ein verkappter Porno für die Lehrer unter den Zuschauern
Der Film ist nicht … irgendwie … schön, auffällig, spektakulär fotografiert. Er hat keine sophisticated dreilagigen Dialoge. Für Porno ist zu wenig Explizites, für Sex zu viel Blutiges. Die Kulissen sehen aus wie Klein-Erna sich Herrschers Palast so vorstellt: Bunt. Gülden. Seidig. Ich weiß nicht, was der Film soll – wenn er nicht ein verbrämter Porno fürs Bildungsbürgertum sein will, weil Herr Lehrer und Frau Redakteurin sich natürlich keinen Porno im Bahnhofskino anschauen würden. Dieser hier hatte seine Köln-Premiere in dem Kino, in dem zwei Jahre vorher Krieg der Sterne (1977) Premiere hatte (damals noch ohne römische Episodenziffern); in dieses Kino gingen auch Lehrer, Journalisten, Künstler und Schüler. Heute gibt es das Kino nicht mehr. Der US-Filmkritiker Roger Ebert bezeichnete den Film als schamlosen Müll („the worst piece of shit I have ever seen“) und setzte ihn auf die Liste der von ihm meistgehassten Filme. Er nannte den Film „sickening, utterly worthless, shameful trash. If it is not the worst film I have ever seen, that makes it all the more shameful: People with talent allowed themselves to participate in this travesty.“
Kann ich verstehen.