Für die Billigproduktion eines Horrorfilms fehlen dem Tontechniker Jack Terry neben einem geeigneten Todesschrei für die zentrale Szene auch noch authentische Windgeräusche.
Bei der Aufnahme nächtlicher Naturgeräusche mit einem Richtmikrofon wird er Zeuge eines Autounfalls. Der Präsidentschaftskandidat George McRyan kommt auf einer Brücke von der Fahrbahn ab und stürzt mit seinem Wagen in einen See. Jack eilt zur Hilfe und taucht nach dem Wagen. Durch die Scheiben sieht er den blutenden McRyan, kann ihn jedoch nicht befreien. Allerdings gelingt es ihm, dessen Begleiterin Sally aus dem Fahrzeug zu retten.
Bereits im Krankenhaus übt die Polizei massiven Druck auf Sally und Jack aus. Er soll seine Aussage, er habe kurz vor dem Unfall einen Schuss gehört und diesen sogar aufgezeichnet, zurückziehen. Um den Ruf der Familie zu schützen, soll auch Sallys Anwesenheit im Fahrzeug des Präsidentschaftskandidaten nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Jack willigt zunächst in die Forderungen der Beamten ein. Nach Abhören seiner Tonbandaufnahmen erkennt er jedoch, dass es sich nicht um einen Unfall handelte, sondern ein gezielter Schuss einen Reifen des Fahrzeugs platzen ließ.
Deshalb forscht er auf eigene Faust weiter …
Gleich im Opening zitiert Hobby-Epigone Brian DePalma John Carpenters Erfolgsfilm Halloween (1978) indem er einen Killer mit Messer durch ein Haus schleichen lässt, gefilmt mit subjektiver Kamera. Die Szene endet mit einem Messermord unter der Dusche – dass DePalma Alfred Hitchcock verehrt, ist kein Geheimnis, er sagt es gerne jedem, der danach fragt. So sehen viele seiner Filme (s.u.) auch aus. In „Blow Out“, der eine Idee aus Michelangelo Antonionis „Blow Up“ (1966) variiert – damals hatte ein Fotograf zufällig einen Mord fotografiert, was erst eine massive Vergrößerung des Originalnegativs beweisen konnte – treibt De Palma seine fast manisch zu nennende Zitatverliebtheit auf die Spitze.
Visuell ist der Film ein Ereignis. Vilmos Zsigmond, der Director of Photography, liefert eine weitere große Leistung in Lichtdramaturgie und Kamerabewegung (Heaven's Gate – 1980; „The rose“ – 1990; „Die durch die Hölle gehen“ – 1978; Unheimliche Begegnung der dritten Art – 1977; Schwarzer Engel – 1876; Sugarland Express – 1974; „Beim Sterben ist jeder der Erste“ – 1972). Paul Hirsch gibt dem Film an seinem Schneidetisch einen packenden Rythmus. Aber De palmas script hält den zuschauer an entscheidender stelle für blöd.
Fangen wir vorne an: Ein gefeierter Politstar mit besten Chancen auf seinen baldigen Einzug ins Weiße Haus kommt bei einem Autounfall ums Leben und es ist den Ermittlern, dem Secret Service, dem FBI egal, dass es haufenweise Widersprücjhe gibt. Okay: Der Film erwähnt am Anfang geschickt diverse Korruptionsfälle bei der Polizei von Philadelphia. Man kann also akzeptieren, wie in vielen Politverschwörungsthrillern zuvor auch schon, dass hier ein paar massive Stolpersteine im Weg liegen bleiben. Und weil es so spannend gefilmt und montiert ist, lasse ich mich einfach mitreißen. Und dann gibt es ja diesen besonderen MacGuffin; das ist dieses Ding, das in einem Thriller die handelnden Figuren in Bewegung halten soll, aber für sich gesehen keine Rolle spielt. So geht De Palma mit dem MacGuffin auch um.
Es geht um die Aufnahmen, die Jack, der Toningenieur, in jener Nacht des Unfalls mit seinem Richtmikrofon gemacht hat. Gleichzeitig war auch ein zwielichtiger Fotograf vor Ort, der mit angeblich technisch ganz neuem Filmmaterial in tiefer Nacht gestochen scharfe Fotos gemachgt hat, offenbar mit einer Motor-Kamera, denn er hat zahllose Fotos der Genese dieses Unfalls gemacht, die in einem großen Nachrichtenmagazin sechs Seiten füllen. Jack, der Tontechniker, koppelt diese zahllosen Fotos mit seinen Tonaufnahmen vom selben Ereignis. Das Ergebnis ist ein flüssig laufender Film, der Bild und Ton synchronisiert und eindeutigh beweist, dass es vor dem Unfall einen Schuss gegeben hat. Das Problem: Eine Fotokamera, selbst eine mit Motor, der einen schnellen Filmtransport ermöglicht, liefert keine 24 Bilder pro Sekunde, die mindestens nötig wären, um dem menschlichen Auge eine flüssige Bewegung zu simulieren – zudem hätte der schmierige Fotograf mehrfach in No-Time den Film in seinem Fotoapparat wechseln müssen. Heißt: Es gubt selbst für den nur oberflächlich gebildeten Zuschauer keine Möglichkeit, den fotografierten Unfall mit den Tonaufnahmen wirklich glaubhaft zu synchronisieren.
Sogar diesen krassen Fehler in der erzählten Realität (denn das Drehbuch legt viel Wert auf seine technische Plausibilität) könnte man vielleicht entschuldigen, wenn der Film mich die zwei Stunden Laufzeit lang in den Kinosessel gedrückt hätte – vielleicht, weil: An erster Stelle scheitert die Dramaturgie an John Travolta („Urban Cowboy“ – 1980; Grease – 1978; Nur Samstag Nacht – 1977; Carrie: Des Satans jüngste Tochter – 1976). Der Schauspieler ist immer noch der begabte Tänzer aus dem Jahr 1977, aber kein glaubhafter Schauspieler in einem ernsthaften Thriller.
Brian De Palmas Thriller ist ein wunderbares Produkt, um sich im Kinosessel mal mit den filigranenen Möglichkeiten filmtechnischer Erzählmöglichkeiten zu beschäftigen. Aber im Kino will ich kein filmtheoretisches Seminar sehen. Im Kino will ich gepackt werden. Dafür müssten die Schauspieler bessewr sein. Travolta ist ein Ausfall, die Rolle der Sally kann auch Nancy Allen nicht mit Leben aufblasen. Und John Lithgow versteht die Rolle, die er laut Drehbuch ausfüllen soll, offenbar selbst nicht. Er mordet Frauen, telefoniert zwischendrin mit einem namhaften Politiker und soll kriminologische Kohlen aus dem Feuer holen. Aber Lithgow bekommt nicht mehr als ein paar Möglichkeiten, seine mordlüstern glühenden Augen in Großaufnahme zu rollen.
Auch das ist filmtechnisches Storytelling ohne Inhalt. So wie der genze Film.
Die Kinofilme von Brian De Palma
Brian De Palma (* 11. September 1940 als James Giacinto De Palma jr. in Newark, New Jersey) ist ein US-amerikanischer Filmregisseur.
In seinen Filmen geht es um Spannung, Mord, Besessenheit und psychische Störungen. Immer wiederkehrende Themen und Motive in seinen Filmen sind Voyeurismus und Überwachung, Doppelgänger, multiple Persönlichkeiten und Gewalt. De Palma bezieht sich in sehr vielen seiner Filme auf Alfred Hitchcock. So orientiert er sich in seinen Thrillern an Grundthemen und Motiven von Hitchcock-Filmen, zitiert Szenen und greift auf viele Strategien der filmischen Erzählung wie Plansequenzen und Nahaufnahmen in ähnlicher Weise wie Hitchcock zurück.
Filmtechnisch ist De Palma vor allem durch den ausgiebigen Einsatz der Steadicam bekannt. Sein Establishing Shot in Spiel auf Zeit führt beispielsweise mit nur einer, sehr elaborierten Kamerafahrt das gesamte Ensemble der Akteure ein. Als Erster hat De Palma den Split Screen als spannungserzeugendes filmtechnisches Mittel konsequent benutzt und auf diese Technik immer wieder zurückgegriffen.
Seinen ersten großen Erfolg feierte de Palma 1976 mit dem Horrorthriller Carrie – Des Satans jüngste Tochter, der auf dem Buch Carrie von Stephen King basiert. In den folgenden Jahren drehte er eine Reihe von weiteren Thrillern.
- Murder à la Mod (1968)
- Greetings (1968)
- The Wedding Party (1969)
- Hi, Mom! (1970)
- Hilfe, ich habe Erfolg (Get to know Your Rabbit, 1972)
- Die Schwestern des Bösen (Sisters, 1972)
- Das Phantom im Paradies (Phantom of the Paradise, 1974)
- Schwarzer Engel (Obsession, 1976)
- Carrie – Des Satans jüngste Tochter (Carrie, 1968)
- Teufelskreis Alpha (The Fury, 1978)
- Home Movies – Wie du mir, so ich dir (Home Movies, 1979)
- Dressed to Kill (1980)
- Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren (Blow Out, 1981)
- Scarface (1983)
- Der Tod kommt zweimal (Body Double, 1984)
- Wise Guys – Zwei Superpflaumen in der Unterwelt (Wise Guys, 1986)
- The Untouchables – Die Unbestechlichen (The Untouchables, 1987)
- Die Verdammten des Krieges (Casualties of War, 1989)
- Fegefeuer der Eitelkeiten (The Bonfire of the Vanities, 1990)
- Mein Bruder Kain (Raising Cain, 1992)
- Carlito’s Way (1993)
- Mission: Impossible (1996)
- Spiel auf Zeit (Snake Eyes, 1998)
- Mission to Mars (2000)
- Femme Fatale (2002)
- The Black Dahlia (The Black Dahlia, 2006)
- Redacted (2007)
- Passion (2012)
- Domino (2019)