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Plakatmotiv: Bill McKay – Der Kandidat

Eine böse Politfarce, die sich
als Dokumentation entpuppt

Titel Bill McKay – Der Kandidat
(The Candidate)
Drehbuch Jeremy Larner
Regie Michael Ritchie, USA 1972
Darsteller
Robert Redford, Peter Boyle, Melvyn Douglas, Don Porter, Allen Garfield, Karen Carlson, Quinn K. Redeker, Morgan Upton, Michael Lerner, Kenneth Tobey, Christopher Pray, Joe Miksak, Jenny Sullivan, Tom Dahlgren, Gerald Hiken u.a.
Genre Komödie, Drama
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
26. Januar 1973
Inhalt

Der Demokratischen Partei droht in Kalifornien ein Wahlfiasko. Der amtierende Senator Jarmon scheint unschlagbar zu sein. Keiner der etablierten Politiker will sich gegen Jarmon aufstellen lassen, weshalb die Demokraten zu einem neuen, unbekannten Gesicht greifen müssen – dem liberalen Anwalt Bill McKay, dessen Vater John J. McKay früher Gouverneur Kaliforniens war.

McKay lässt sich überreden und aufstellen. Seine einzigen Bedingungen: Er will sagen können, was er für richtig hält und zudem seinen Vater aus dem Wahlkampf heraushalten. Die Wahlkampfmanager sagen zu, da sie ohnehin kaum eine Chance für McKay sehen. Dennoch ist das Wahlkampfprogramm hart: eine Masse von Terminen, Stellungnahmen zu jedem denkbaren Thema, Vorsicht vor Fangfragen, Diskussionen mit Armen und Unterprivilegierten, Menschenmengen und immer wieder TV-Auftritte.

Langsam aber sicher scheint die Wählergunst bei McKay zu liegen, bis es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Senator Jarmon kommt …

Was zu sagen wäre

Je größer der Auftritt, desto dünner die politische Botschaft. Dieser Politthriller wirkt wie eine boshafte Farce. Aber das ist sie nicht. Das Drama ist klug beobachtet, präzise nachgezeichnet. Regisseur Michael Ritchie weiß, was er da inszeniert, inszenierte vor zwei Jahren TV-Auftritte für einen Senatoren-Anwärter; Drehbuchautor Jeremy Larner schrieb schon vor vier Jahren Reden für Senator Eugene McCarthy und dann haben sich viele Wahlkampfmanager beteiligt – als Berater oder sie spielten sich gleich selber.

Die Macher kommen aus dem dokumentarischen und so ist dieser Spielfilm auch inszeniert: abgehackte Sequenzen, wackliges, an ungeschnittenes Newsfeed erinnerndes Bild und mittendrin der Kandidat, der versucht, Gespräche zu führen, die selten mehr sind als ein Jaja, Soso, Aha … immer will irgendjemand was von ihm, Ich bin die Leiterin des Wahlkampfbüros, Sie machen das prima, hier ist meine Hotelzimmernummer. Da ist von dem integren Mann mit ernsthaften Anliegen am Ende nicht mehr viel übrig. Der Film entlarvt den politischen Kandidaten – wen auch immer – als fremd gesteuert. Dauernd geht es um das richtige Bild, Hauptsache der Kandidat sagt den richtigen Halbsatz und wenn es um die Abtreibung geht, soll er auf jeden Fall zuerst sagen, dass das ein komplexes Thema sei, das man von allen Seiten betrachten müsse.

Plakatmotiv: Bill McKay – Der Kandidat

Michael Ritchie gelingt das Kunststück, dass wir den Weg des Anwalts, der ins politische Geschäft einsteigt, mitgehen, verstehen und jederzeit genauso wehrlos ob der öffentlichkeitswirksamen Notwendigkeiten gegenüber sind, wie die Titelfigur des Films, die sich als von Sachzwängen, von äußeren Umständen Getriebener erweist. Je länger das Polit-Spektakel (…Debakel) dauert, desto griffiger wird der Kandidat, knackiger werden seine Slogans. Irgendwann spielt es keine Rolle mehr, dass McKay sich ausbedungen hatte, immer sagen zu können, was er denke … irgendwann zählt der knackige 20-Sekunden-Spot.

In unserem Land“, sagt ein TV-Kommentator entnervt, „verkaufen sich die Kandidaten in ihren Wahlsendungen wie ein Mittel gegen Mundgeruch. Und zwar so lange, bis sie uns einen schwachsinnigen Slogan eingehämmert haben, der für den Kandidaten ebenso degradierend ist wie für den Wähler. Doch im Wahlkampf um den kalifornischen Sitz im Senat war der junge Bill McKay eine Ausnahme. Er führte seinen Wahlkampf mit erfrischender Offenheit und Geradlinigkeit. Aber nun, einen Monat vor der Entscheidung, hat sich McKays Linie völlig verändert. Seine ehemals so progressiven Reden sind müdes Geschwätz geworden. Gezielte Forderungen ausgeleierte Allgemeinplätze. Die Wähler werden aufgefordert, sich für McKay zu entscheiden wie für ein neues Waschpulver. Angewandter Konsumterror ohne jede Skrupel.

Na und, sagt Wahlkampfmanager Marvin Lucas, der jeden Protest (Wir hatten doch, wir wollten doch nicht …) vom Tisch wischt: „Wir haben jetzt 14 Prozent mehr als am Anfang. Überleg' Dir das. Aber wenn Du der Auffassung bist, dass ich meinem Job nicht gewachsen bin, dann sag es mir, Ich bin bereit, meinen Hut zu nehmen. Jederzeit!“, sagt er und verschränkt die Arme, und McKay kann längst nicht mehr zurück. Der Kandidat ist kein Antreiber mehr, der Ideen hat, die er für die bessere Lösung hält, er ist Getriebener des Geschäfts … entpersonalisiert … entmenschlicht. Am Ende, als McKay die Wahl doch gewonnen hat, fragt er seinen Wahlkampfmanager Lucas im größten Wahlpartytrubel, wie es denn nun weitergehen soll, aber der guckt ihn völlig entgeistert an und zieht auf die nächste Party, zum nächsten Kandidaten.

Es geht nicht um politische Inhalte, nicht um gesellschaftliche Veränderungen in der Politik, sagt dieser scharfzüngige Film. Es geht ums Gewinnen. Wer und was verkauft sich besser?

Robert Redford (s.u.) hat sich sehr für dieses Filmprojekt engagiert, nachdem er 1968 Zeuge des erstarrten Wahlkampfes zwischen Richard Nixon und Hubert Humphrey war. Er wollte aufklären. Das ist ihm gelungen. Die Zeitläufte konnte er nicht stoppen. Politik wurde mehr und mehr zur Show des besser Strahlenden.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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