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Plakatmotiv: Ausnahmezustand (1998)

Wie weit würdest Du gehen ..?
Ein böser kalter Thriller

Titel Ausnahmezustand
(The Siege)
Drehbuch Lawrence Wright & Menno Meyjes & Edward Zwick
Regie Edward Zwick, USA 1998
Darsteller

Denzel Washington, Annette Bening, Bruce Willis, Tony Shalhoub, Sami Bouajila, Ahmed Ben Larby, Mosleh Mohamed, Lianna Pai, Mark Valley, Jack Gwaltney, David Proval, Lance Reddick u.a.

Genre Drama, Thriller
Filmlänge 116 Minuten
Deutschlandstart
21. Januar 1999
Inhalt

Eine Reihe von blutigen Terroranschlägen versetzen die Einwohner von New York City in Angst. Unbekannte kidnappen und sprengen einen vollbesetzten Bus, nehmen Schulkinder als Geisel und lassen eine Bombe während einer prominent besuchten Broadway-Premiere detonieren.

FBI-Agent Hubbard ermittelt fieberhaft, kommt den Drahtziehern der Attentate aber nicht auf die Spur. Die Geheimdienstagentin Elise Kraft, die immer wieder Hubbards Untersuchungen kreuzt, weiß dagegen offensichtlich mehr, als sie zugibt. Erst als Hubbard auf den arabischen Professor Samir Nazhde stößt, der mit den Terrorakten verbunden scheint, muss Elise Farbe bekennen und ein Geheimnis enthüllen.

Während Hubbard noch Informationen sammelt, schlagen die Terroristen wieder zu: Sie sprengen das FBI-Hauptquartier und töten dabei über 600 Menschen. Washington beschließt einen radikalen Schritt: New York wird unter Ausnahmezustand gestellt. Unter dem Kriegsrechtkommando von General Devereaux werden systematisch alle arabisch-stämmigen Bewohner Brooklyns verhaftet und im Stadion zusammengepfercht.

Was die Terroristen nicht geschafft haben, scheint nun die Regierung selbst einzuläuten: Das Ende der Demokratie …

Was zu sagen wäre

Für Amerika ist das ungewohnt, was da in den vergangenen Jahren hin und wieder geschah: Terroranschläge im eigenen Land. God's own Country ist in einer Hinsicht tatsächlich gesegnet: In der aktuell herrschenden geopolitischen Welt berühren die Kriege, die die USA führen, an denen sie direkt oder indirekt beteiligt sind, nicht das eigene Land, den heimischen Grund und Boden. Ein paar Terrorakte wirken da verstörend auf die US-Seele. Seit dem Anschlag auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City mit einer Autobombe im April 1995, bei dem 168 Menschen starben, wissen die US-Bürger, dass ihr Land nicht mehr gesegnet ist.

Für den Anschlag in Oklahoma 1995 waren, soweit man weiß, drei US-Amerikaner rechtsextremer Gesinnung verantwortlich. Edward Zwick (Mut zur Wahrheit – 1996; "Legenden der Leidenschaft" – 1994; "Glory" – 1989; Nochmal so wie letzte Nacht… – 1986) spielt die Idee durch, dass eine arabische Terrorzelle die USA angreift. In Manhattan – erst fliegt ein Bus in die Luft, dann ein voll besetztes Theater, schließlich die FBI-Zentrale in Manhattan.

Die Bevölkerung lebt in ständiger Angst, geht kaum noch vor die Tür, der Wirtschaftskreislauf kommt zum Erliegen, weil niemand mehr rausgeht. Und die Regierung? Die Sicherheitsorgane liegen im Clinch miteinander: FBI gegen CIA, CIA gegen das Capitol, die eine Behörde gegen die andere Behörde, jedes Büro wacht eifersüchtig über die eigenen Pfründe. Und dann gibt es da ja noch die Verfassung der Vereinigten Staaten, die jedem Menschen unveräußerliche Rechte zugesteht. Das Land ist nicht vorbereitet, scheint machtlos gegen die Terrorzellen. „Bei unserem Sicherheitsdienst hätte der Typ schon einen Schürhaken im Arsch!“, moniert der arabischstämmige Partner von FBI-Mann Hubbard, als man einen verdächtigen Araber laufen lassen muss, „Und was machen wir? Wir lassen ihn laufen!“ Zwick und seine Drehbuchautoren Lawrence Wright und Menno Meyjes malen das große Panorama einer solchen Bedrohung – die nicht erst beginnt, als ein paar Araber über die Grenze ins Land kommen. Die Terroristen sind ehemalige von der CIA geförderte und ausgebildete Widerstandskämpfer gegen Saddam Hussein Anfang der 90er, die dann von den USA aus politischen Gründen fallengelassen wurden und ihren Gegnern in die Hände fielen. Wer das überlebte, radikalisierte sich und schwor sich gegen den Großen Feind ein.

Der Terror, der sich da gegen die USA erhebt, ist also streng genommen ein Eigengewächs, ausgebildet von US-Streitkräften, ausgerüstet mit US-Waffen und radikalisiert, weil sich der selbsternannte "Weltpolizist" nicht an die eigene Regeln von Freiheit und Grundrechten hält. Zu Beginn des Films entführen US-amerikanische Söldner einen Scheich, den sie für Anschlägen verantwortlich machen, aus einem Land im Nahen Osten. Später, nachdem Washington das Kriegsrecht über Brooklyn verhängt hat, foltern und töten hochrangige US-Offiziere Zivilisten arabischer Herkunft. Ein Footballstadion wird in ein Gefängnis umgewandelt, in dem Hunderte Araber ohne Prozess interniert werden. Die US-Politik gibt insgesamt kein gutes Bild ab in diesem Film: bestenfalls nicht vorbereitet, schlimmstenfalls ein Tyrannenstaat. Den Terroristen, die es in diesem Film gibt und die Menschen umbringen, macht der Film es da fast zu leicht, wenn er sie als die moralisch Überlegenen hinstellt, die sich eher zur Wehr setzen als proaktiv angreifen. Dennoch ist die Überspitzung legitim. Betrachtet man Film als eine Kunstform und akzeptiert, dass es Aufgabe der Kunst ist, den Blick zu schärfen, aufzurütteln, dann verdeutlicht Zwick dem Zuschauer mit dieser Zuspitzung das Dilemma, in dem sich eine freie Gesellschaft befindet: Ab welchem Punkt einer potenziellen Bedrohung dürfen Grundrechte eingeschränkt, die Verfassung außer Kraft gesetzt werden, darf sich eine demokratisch legitimierte Regierung in eine Diktatur verwandeln?

Um diese Frage kreist der Film mit den Mitteln des Unterhaltungskinos – es kracht mehrmals ordentlich und das menschliche Drama kocht hoch. Im Mittelpunkt steht der freundliche FBI-Mann Hubbard auf dem Boden des Rechts, den Denzel Washington als aufrechten und rechtschaffen empörten Bürger anlegt (Dämon – Trau keiner Seele – 1998; "Rendezvous mit einem Engel” – 1996; Mut zur Wahrheit – 1996; Crimson Tide – 1995; Teufel in Blau – 1995; Die Akte – 1993; Philadelphia – 1993; Viel Lärm um nichts – 1993; "Malcolm X" – 1992; Ricochet – Der Aufprall – 1991). Seine Gegenspielerin ist die CIA-Frau Elise Kraft, die lange in der einen wie in der anderen Welt gelebt hat. Annette Bening (Mars Attacks! – 1996; Hallo, Mr. President – 1995; "Richard III" – 1995; Bugsy – 1991; "Grüße aus Hollywood" – 1991; In Sachen Henry – 1991; Schuldig bei Verdacht – 1991) legt sie als leidenschaftliche Figur mit viel Sympathie für die Menschen der arabischen Welt an, was gut passt in diesem Streit, den hauptsächlich die beiden auszufechten haben. Die interessanteste Figur spielt aber Tony Shalhoub, der Hubbards FBI-Partner Frank Haddad spielt, aus dem Libanon stammt, seit zehn Jahren FBI-Agent ist und plötzlich zwischen allen Stühlen landet, weil er merkt, wie brüchig diese Völkerfreundschaft ist, in der er als US-Araber seit 20 Jahren lebt (Shalhoub wird ab 2002 dem großen Publikum als TV-Serienstar "Monk" bekannt).

Die brüchige Völkerfreundschaft zerbricht General William Devereaux, der mit seinen US-Truppen in New York einmarschiert und das über die Stadt verhängte Kriegsrecht durchsetzt. Er riegelt Brooklyn ab und interniert jeden, der arabisch aussieht unter erbärmlichen Bedingungen. Diesen General spielt Bruce Willis als zielbewussten Befehlsempfänger, der mit dem Argument Aus Liebe für mein Land das Wesen eben dieses Landes und seiner Gesellschaft preis gibt. Eine kleine Rolle für den Superstar des US-Kinos, aber eine, der er mit kaltem Blick nachhaltigen Gänsehautfaktor verleiht (Armageddon – 1998; Das Mercury Puzzle – 1998; Der Schakal – 1997; Das fünfte Element – 1997; Last Man Standing – 1996; 12 Monkeys – 1995; Stirb langsam – Jetzt erst recht – 1995; Nobody's Fool – 1995; "Color of Night" – 1994; Pulp Fiction – 1994; Tödliche Nähe – 1993; Der Tod steht ihr gut – 1992; The Player – 1992; Last Boy Scout – 1991; Hudson Hawk – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Stirb Langsam 2 – 1990; Stirb langsam – 1988; Blind Date – 1987).

"The Siege" ist ein überraschendes, hochpolitisches Drama, das Fragen aufwirft, die einen noch beschäftigen, wenn der Kinovorhang sich lange geschlossen hat.

Wertung: 9 von 11 D-Mark
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