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Plakatmotiv: Armageddon – Das jüngste Gericht (1998)

Bruce Willis spielt Golf im Meer
und gibt den Held im All

Titel Armageddon – Das jüngste Gericht
(Armageddon)
Drehbuch Robert Roy Pool & J.J. Abrams & Jonathan Hensleigh
Regie Michael Bay, USA 1998
Darsteller

Bruce Willis, Billy Bob Thornton, Ben Affleck, Liv Tyler, Will Patton, Steve Buscemi, William Fichtner, Owen Wilson, Michael Clarke Duncan, Peter Stormare, Ken Hudson Campbell, Jessica Steen, Keith David, Chris Ellis, Jason Isaacs u.a.

Genre Action
Filmlänge 151 Minuten
Deutschlandstart
16. Juli 1998
Inhalt

Um 4.49 Uhr Mitteleuropäischer Zeit verschwindet das Shuttle "Atlantis" spurlos im All. Stunden später geht ohne Vorwarnung ein Meteoritenregen an der Ostküste der Vereinigten Staaten nieder und richtet großen Schaden an. Doch das ist nur ein kleiner Vorgeschmack: Ein Asteroid von der Größe des Staates Texas steuert mit einer Geschwindigkeit von 35.000 km/h auf die Erde zu! In 18 Tagen wird der gigantische Gesteinsbrocken einschlagen – das Ende des blauen Planeten ist eingeleitet.

Mit dem Mut der Verzweiflung wird ein irrwitziger Plan zur Rettung der Erde entworfen: Der Leiter der NASA, Dan Truman, heuert den weltbesten Spezialisten für Tief-Ölbohrungen, Harry S. Stamper, samt seinem zwölf Mann starken Expertenteam an. In den beiden Shuttles "Freedom" und "Independence" werden die tollkühnen Männer ins All katapultiert, um den globalen Killer auszuschalten. Ziel ist es, den Asteroiden anzubohren und ihn mit einem nuklearen Sprengkopf von innen heraus zu sprengen.

Mit von der Partie der im Eilverfahren ausgebildeten Astronauten ist auch A. J. Frost, Stampers zukünftiger Schwiegersohn. Grace Stamper hat somit doppelten Grund, das waghalsige Unternehmen mit sehr gemischten Gefühlen zu verfolgen. Aber sie ist sicher nicht die einzige: Das Schicksal der Menschheit steht auf dem Spiel …

Was zu sagen wäre

Es kracht schon nach ein paar Filmminuten. Erst im All, wo eine Raumstation samt Space-Shuttle durch Geschosse zerstört wird, man erkennt nicht, was das für Geschosse sind. Dann in Manhattan, auf das es Feuerbälle regnet, die Straßenzüge in Brand setzen, Busse explodieren lassen, die Central Station zerstören und die Spitze des Chrysler Buildings abreißen, die sich dann Kopfüber in den Straßenasphalt rammt.

Die Welt ist also in Gefahr, ein Asteroid nähert sich und nur die USA sind in der Lage, irgendeine Art Rettungsmission anzuleiern. Russland hat zwar die MIR im Orbit, aber die wird bewohnt von einem russischen Kosmonauten, der – klar: der Wodka, weiß man ja – daueralkoholisiert durch die Station schwebt. Und China ringt die Hände gen Himmel und blickt Bank auf die Nation der Stars and Stripes. Es stellt sich da schon leise die Frage, was eigentlich die ESA wohl gerade so macht. Ist aber nicht so wichtig, denn endlich wendet sich der US-Präsident an die Welt: „Heute spreche ich zu Ihnen nicht als Präsident der Vereinigten Staaten, sondern stellvertretend für alle Menschen dieser Welt.“ So sieht es Produzent Jerry Bruckheimer am liebsten, bei dem auch in "Armageddon" immer wieder die US-Flagge dramatisch ins Bild flattert. Plakatmotiv: Armageddon – Das jüngste Gericht (1998)Bruckheimers US-Präsident spannt rhetorisch den Bogen von Forschung und Wissenschaft hin zu sinnstiftenden Kriegen und Ungerechtigkeiten, die „uns soweit gebracht (haben), dass wir diese Schlacht gewinnen können! Über all das Chaos hinweg, das unsere Geschichte ausmacht, gab es etwas, das uns immer wieder getröstet hat und unsere Ahnen über ihre Ursprünge hinauswachsen ließ. Und das ist unser Mut!“ Die Ansprache unterlegt der Film mit Franzosen auf dörflichem Kopfsteinpflaster neben einem gemütlichen Motorroller und vielen Menschen in Barracken, Tempelruinen und Zelten, die buntes Tuch, häufig eher Lumpen tragen. Der Film kommt aus den USA. Darf man es den Verantwortlichen verübeln, dass sie eine eingeschränkte Weltsicht verkaufen?

Michael Bay und sein Produzent Jerry Bruckheimer machen da weiter, wo sie mit Con Air (1997) nach The Rock (1996) unterbrochen wurden. Sie lassen es ordentlich krachen – soll gar nicht erst der Verdacht entstehen, der früher in diesem Jahr gestartete Asteroid-klatscht-auf-die-Erde-Film Deep Impact habe schon alles zum Thema gezeigt. "Beginne mit einem Erdbeben und ziehe dann das Tempo an", lautet die Grundregel der amerikanischen Filmproduzenten. Bruckheimer hält sich daran und teilt nicht nur gegen Deep Impact aus, auch ein weiterer potenzieller Konkurrent um die meisten verkauften Kinotickets in diesem Jahr, Roland Emmerichs Godzilla, wird in Form von Gummi- und Plastikfiguren eines Straßenhändlers durch den Meteoritensturm über Manhattan verschüttet. Nachdem das Terrain in diesem kinematographischen Konkurrenzstreit also abgepinkelt ist und der Antagonist des Films benannt – „Um welche Größenordnung geht es da?“ „Etwa die Größenordnung von Texas. Mr. President.“ „Mit welchem Schaden müssten wir rechnen?“ „Totalschaden, Sir! Das bezeichnen wir als globalen Killer. Das Ende der Menschheit.“ – geht Michael Bay dazu über, die Männer aufzustellen, die dem Planetenkiller zeigen sollen, was irdische Planetenkiller so draufhaben.

Angeführt werden die Männer von Harry Stamper. Den spielt Bruce Willis und also können wir davon ausgehen, dass die Erde sich noch dreht, wenn der Abspann läuft (Das Mercury Puzzle – 1998; Der Schakal – 1997; Das fünfte Element – 1997; Last Man Standing – 1996; 12 Monkeys – 1995; Stirb langsam – Jetzt erst recht – 1995; Nobody's Fool – 1995; "Color of Night" – 1994; Pulp Fiction – 1994; Tödliche Nähe – 1993; Der Tod steht ihr gut – 1992; The Player – 1992; Last Boy Scout – 1991; Hudson Hawk – 1991; "Tödliche Gedanken" – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Stirb Langsam 2 – 1990; Stirb langsam – 1988" – 1988; Blind Date – 1987). Stamper ist Bohrspezialist. Willis spielt ihn als konservativen, knochentrockenen Pragmatiker, der für sauberere Luft kämpfende Demonstranten auf Greenpeace-Booten auf hoher See mit Golfbällen vertreibt, seine Tochter alleine groß gezogen hat und deren Boyfriend, der gleichzeitig Stampers bester Mann am Bohrturm ist, mit der Pumpgun über die Plattform jagt, nachdem er ihn mit ihr im Bett erwischt hat. Gefühle zeigen wie eben noch im Mercury Puzzle für einen autistischen Jungen, ist nicht die Kernkompetenz des Spezialisten. Wohl fühlt er sich, wenn er seine Männer um sich hat: „Ich denke mal, Sie haben mich geholt, weil es heißt, ich wäre der Beste. Ich bin aber nur der Beste, weil ich mit den Besten arbeite. Wenn man sich auf seine Männer nicht verlassen kann, ist man so gut wie tot.

Und dann stellt Michael Bay uns diese Besten, die wir kurz vorher alle schon mal kurz in Ölbohr-Plattform-Action erlebt haben, vor. Es sind die zehn charmantesten Minuten des Films. Die Männer, denen Stamper jederzeit sein Leben anvertraut, sind amoralische Helden. Weil sie alle gerade Landurlaub haben, holt sie das FBI aus Lapdance-Clubs, Spielhallen, Tatoo-Studios, von ihrer Ranch oder ihrer Harley, auf der sie Polizei, FBI und Hubschraubern erst noch eine heiße Jagd liefern. Es sind Glücksspieler, Schürzenjäger, Cowboys, verfressene Riesenbabys und Großmäuler, aber alles geniale Geologen, Mechaniker, Bohrspezialisten oder hochgebildete Verrückte – die sich schnell bereit erklären, den Höllenjob zu übernehmen: „Aber sie haben ein paar Wünsche geäußert. Nicht weltbewegendes, naja, Oscar hat ein paar unbezahlte Strafzettel. Die will er aus seiner Akte getilgt haben. Noonan kennt zwei Damen, die möglichst bald amerikanische Staatsbürgerinnen werden sollte. Max fände es schön, wenn Sie 8-Spurbänder wieder einführen können, … nicht sicher, ob Sie das hinkriegen … mal sehen, was noch. Chick will das einwöchige Imperatorpaket im Ceasar's Palace. Plakatmotiv: Armageddon – Das jüngste Gericht (1998)Wissen Sie zufällig, wer Kennedy wirklich umgebracht hat? Bear wünscht sich einen Aufenthalt im Lincolnzimmer des Weißen Hauses für den Sommer. Sowas in der Art.“ „Klar, ich denke, dass wir das regeln können, manches davon.“ „Noch was Wichtiges: Alle wollen Befreiung von der Steuer. Für immer!

Zwischen all dem verschwitzten Testosteron kämpft Grace Stamper um ihren Platz, Tochter des allein erziehenden Bohrprofis, dem vor vielen Jahren die Frau weggelaufen ist. Liv Tyler spielt sie (U-Turn – Kein Weg zurück – 1997; That Thing You Do! – 1996), Tochter von Steven Tyler, Frontmann der Rockband Aerosmith, die den Titelsong beisteuert. Grace Stamper ist für die romantischen und ans Herz gehenden Szenen ins Drehbuch gebaut worden, ein ähnliches Schmuckelement wie die dramatisch flatternden Flaggen, eine feenhafte Beauty mit großen feuchten Augen und scharfer Zunge: „Als ich meine erste Regel hatte, musste mich Rockhound nach Taipeh fahren und mir Tampons kaufen und dann noch zeigen, wie man sie benutzt, Harry! In dem Alter, als ich mit Puppen spielen sollte, habe ich mit Titan-Tiefenmessern gespielt und das mit dem Blümchen und Bienen habe ich aus Freddy Noonan Tätowierungen gelernt."

In diesem Tonfall treibt uns Michael Bay durch die Rettung der Welt. Es ist ernst, aber machen Sie sich keine Sorgen, unsere Helden machen das schon, bringen die Typen von der Regierung, diese Anzug tragenden Sesselpupser ohne Fantasie und Improvisationstalent schon auf Trab. Aus dem Gegeneinander der NASA-Astronauten und Navy-Offiziere, die alle jahrelang für Weltraumjobs trainiert werden und dem fröhlichen Haufen lebenslustiger Individualisten onduliert Bay eine wunderbare erste Stunde Kino-Fantasy. Man darf natürlich die Handlung nicht hinterfragen. Ben Affleck (Phantoms – 1998; Good Will Hunting – 1997; Chasing Amy – 1997), der hier Stampers besten Mann spielt, erzählt im Making Of auf der DVD zum Film, er habe Regisseur Bay gefragt, warum es denn leichter sei, Bohrexperten binnen 18 Tagen zu Astronauten umzuschulen anstatt Astronauten beizubringen, ein Loch zu bohren. Bay soll daraufhin „Shut the fuck up!“ geantwortet haben. Wenn man nicht hinterfragt, was man sich da als bunten Comicfilm anschaut, hat man mehr Spaß an "Armageddon". Bedauerlicherweise müssen die Männer dann noch in ihre Shuttles steigen und dem Asteroiden zwecks dessen Zerstörung entgegen fliegen.

Nachdem die Herren Helden abgehoben sind zu ihrer Mission im All, verflacht die Beobachtungsgabe sowohl des Regisseurs als auch des Zuschauers. Das Drehbuch hat man offenbar auf Mutter Erde zurückgelassen. Irgendwann verlieren alle den Überblick, wer jetzt gerade auf dem Asteroiden wo verdampft ist, welcher Kontakt gerade droht abzubrechen und warum das so schlimm sein soll, welcher düstere Plan B plötzlich in höchster Not die Protagonisten auf dem Asteroiden mit geladenen Waffen aufeinander los gehen lässt; es gibt ein Hindernis und in den Jubel darüber, dass dieses Hindernis beseitigt ist, badaboumt das nächste Hindernis. Wieder Jubel, neues Hindernis. Handlung Null, Action dreiundsiebzig. Sehr ermüdend. Ermattet sinkt man in den Sessel und lässt den Rest über sich ergehen.

Wertung: 6 von 11-D-Mark
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