Scott Lang ist nicht vom Glück geküsst. Gerade ist er wieder mal aus dem Knast raus – er saß wegen Einbruchs in eine hochgesicherte Firma – und muss feststellen: Niemand in San Francisco, wahrscheinlich auch niemand sonst in der Welt, hat auf einen Ex-Knacki gewartet; er findet keinen Job. Er kommt bei seinem ehemaligen Zellengenossen unter, Luis – wenigstens. Aber das hilft ihm nicht, sein familiäres Problem zu lösen. Maggie, seine Ex-Frau, und ihr neuer Verlobter, der Polizist Paxton, verweigern ihm den Umgang mit seiner kleinen Tochter Cassie, es sei denn, er zahlt Unterhalt für sie.
In seiner Verzweiflung nimmt Scott Luis' Vorschlag an, ein neues Ding zu drehen und in das Haus eines alten Mannes einzubrechen, in dem, so Luis' Informationen, eine lohnende Beute lockt. Doch im Safe des Hauses findet Scott nur etwas, was wie ein alter Motorradanzug aussieht. Er ahnt nicht, dass er vom Besitzer des Anwesens geau beobachtet wird. Dieser Mann ist Henry "Hank" Pym, brillanter Wissenschaftler, früher eine große Nummer bei S.H.I.E.L.D., bis er Ende der 80er Jahre die Brocken hin warf.
Damals erfuhr er, dass S.H.I.E.L.D. seine größte Entdeckung, die Pym-Partikel, für ihre Zwecke nachbauen und nutzen wollte. Aber Pym kannte die Gefahr, die in seiner Erfindung steckt, sie hat seine Frau einst das Leben gekostet, und quittierte empört seinen Dienst in der Organisation.
Jetzt, knapp 30 Jahre später hat er Scott Lang auf dem Schirm. Er braucht ihn, weil er verhindern will … verhindern muss, dass Darren Cross seine, Hanks größte Erfindung kapert. Cross, einst Protegé und Lehrling Pyms, nachdem der bei S.H.I.E.L.D. gekündigt und seine eigene Firma gegründet hatte, versucht, die Pym-Partikel wiederzuentdecken und mit deren Hilfe einen von ihm entwickelten Kampfanzug (genannt "Yellowjacket") als neues Waffensystem zu vermarkten. Cross hatte Pym mithilfe von Pyms Tochter Hope aus dessen Firma gedrängt; Hope ist nachhaltig erschüttert darüber, dass ihr Vater sie nach dem Tod der Mutter („Ich war 7 Jahre alt!“) mit ihrer Trauer allein ließ.
Was Darren Cross nicht ahnt, ist, dass Henry Pym mit seinen Pym-Partikeln viel weiter war, als alle Welt glaubt: Henry Pym war einst der "Ant-Man", ein mit Hilfe der Pym-Partikel auf Ameisengröße geschrumpfter Held, der mit seiner Frau, Janet van Dyne als "Wasp", ein ums andere mal die Welt aus misslichen Situationen riss – eines dieser Abenteuer hat Janet nicht überlebt, wie Henry seiner aus allen Wolken fallenden Tochter Hope schließlich anvertraut. Aber das liegt lange zurück und jetzt will Pym nur noch verhindern, dass Cross denselben Fehler nicht nur macht, sondern ihn auch noch an die Organisation Hydra verkauft.
Also bereitet Henry "Hank" Pym Scott Lang darauf vor, als neuer "Ant-Man" Darren Cross zu stoppen. Er soll mit einer Armada von Ameisen in das Gebäude von Cross Technological Enterprises eindringen und dort sämtliche Elemente des Waffenprojekts vernichten …
Zu Beginn war alles klein – einfach, leicht, überschaubar – die Welt als Spielplatz. Dann wurde die Welt exponentiell größer und bald so unfassbar gigantisch, dass man sich ihr hingab und wahlweise Spaß hatte oder kotzte ob der unmenschlich gewordenen Dimensionen.
So ähnlich war das auch beim Film. Am Anfang zauberte Georges Méliès eine "Reise zum Mond" (1902) auf die Leinwand und hundert Jahre später donnern Raumschiffe durch entfernte Galaxien, toben Terminatoren durch die Städte, erschrecken Monster unbescholtene Frauen. "Ant-Man" verweigert sich dieser Gigantomanie, ohne deshalb billig zu wirken. Peyton Reed (Girls United – 2000) hat einen geradezu bescheiden wirkenden Film gedreht, der nur hier und da Hinweise auf das einstreut, was an Gigantomanie kommen wird, was wir Kinozuschauer in den vergangenen Jahren als Avengers oder Captain America schon erlebt haben – Bombastkino ohne Pause zum Luft holen.
Das ist eine große Kunst, die Produzent Kevin A. Feige beherrscht, einen Film, der 130 Millionen Dollar gekostet hat, aussehen zu lassen, wie einen kleinen Familienfilm. Denn das ist "Ant-Man". Die Superheldenstory erzählt er pflichtschuldigst nebenbei mit; in seinem Herzen erzählt er die Geschichte einer großen Familienzusammenführung (und auf der Meta-Ebene in den End-Credit-Scenes dann auch die Zusammenführung mit der Avengers-Familie): Hank und Hope, Hank mit Hope und Scott, und Scott mit seiner ehemaligen Familie und mt den bezaubernden, ganz und gar unschrecklichen Ameisen.
Dass dieses Familienkino mit Retrocharme nicht wirkt wie biederes Fifties-Spießerkino, daran hat Paul Rudd merklich Anteil, der Scott Lang/Ant-Man spielt und auch am Drehbuch mitgearbeitet hat. Rudd hat sich in seiner Schauspielerkarriere zur Ikone des mit seiner Zeit hadernden Midlife-Crises-Fourtysomething hochgearbeitet (Immer Ärger mit 40 – 2012; Vielleicht lieber morgen – 2012; Woher weißt du, dass es Liebe ist? – 2010; "Jungfrau (40), männlich, sucht …" – 2005), ist in seinen Filmen verlässlicher Anker für Emanzipations-verstörte Männer, ist die perfeke Projektionsfläche. Rudd erdet diesen Superhelden.
"Ant-Man" ist gleichzeitig Schlussakkord der sogenannten "zweiten Phase" des Marvel Cinematic Universe (MCU), dessen Finale mit Ende von Phase Drei erreicht werden soll. Ein Familienfilm als Zwischenhoch einer zunehmend auf Gigantomanie setzenden Kinoserie. Das ist – abseits der Qualität des eigentlichen Films – sympathisch. Bei diesen MCU-Filmen kommt es nicht nur auf den einen Film an. Sie alle gehören, den zurzeit populären TV-Serien nicht unähnlich, zu einem großen Erzählbogen, zu einem Abenteuer, das keine Kunst sein, keinen Anspruch verstrahlen, den Zuschauer nicht mit Sozialkritik irritieren will, aber in seinem großen, existentialistischen Gestus dann eben doch die großen Fragen der Zeit nach Überwachungsstaat und wissenschaftlicher Hybris aufwirft.
"Ant-Man" tut das auch und vielleicht ist es ein passendes Bild, das im Kino in der Sesselreihe vor mir ein – vielleicht zehn Jahre altes – Mädchen saß, das zwar bisweilen unaufmerksam schwatzhaft war, aber angesichts gigantischer Ameisen und furchtbarer, ekliger Schrumpf-Unfälle nie einen Kreischanfall bekam. Dass riesige Insekten ein besonderes Talent haben, Kinozuschauer zu erschrecken, wissen wir schon seit Formicula (1954) oder Tarantula (1955).
"Ant-Man" ist nicht eklig. Er ist witzig, er ist spannend, er ist aufregend – ein Familienfilm im besten Sinne.
Ant-Man im Kino
- Ant-Man (2015)
- Ant-Man and the Wasp (2018)
- Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023)
Helden im Comic, Helden auf der Leinwand
"Ant-Man" ist ein US-amerikanischer Science-Fiction-Actionfilm rund um die gleichnamige Marvel-Figur, die ihren ersten Auftritt 1962 in "Tales to Astonish" #27 hatte. Es ist der zwölfte Film im Marvel Cinematic Universe (MCU) und schließt dessen "Zweite Phase" ab.