Komponist Antonio Salieri ist überzeugt von der göttlichen Herkunft der Musik des jungen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Gerne wäre Salieri auch so gut, wie der junge Tunichgut, um den Herrn mit seiner, Salieris, Musik zu ehren.
Für den alternden Herrn ist es vollkommen unverständlich, warum Gott diese junge, vulgäre Kreatur Mozart dermaßen bevorzugt hat – diesen kichernd-lüsternen Clown, der in Gaststätten unter dem Tisch mit drallen Blondierten rummacht und eindeutige Späßchen treibt; der Komponist so göttlicher Musik so vulgär, obszön, dieser bärige Rokoko-Punker der Schöpfer so kristallklarer, traumhaft empfindsamer Sonaten und der Kleinen Nachtmusik?
Salieri zergeht vor Neid und sinnt auf Rache …
„Ich bin ein vulgärer Mensch“, sagt Mozart, der von der Genialität geküsste Komponist. „Meine Musik ist es nicht!“ Darin liegt das ganz Leid begraben, das Antonio Salieri, Hofkompositeur am Hofe den Kaisers, Zeit seines Lebens mit sich herumträgt: Wie kann ein vulgärer Clown wie Mozart solch anmutige Musik verfassen, wo doch er, Salieri, sein Leben Gott geweiht in Keuschheit lebt und komponiert und komponiert und komponiert, dabei selbst den eigenen Ansprüchen nicht genügt?
Milos Forman hat in seinen Filmen ein Herz für die Verkannten, die Ausgestoßenen gezeigt ("Ragtime" – 1981; "Hair"– 1979; Einer flog über das Kuckucksnest – 1975). In der Adaption von Peter Shaffers Bühnenstück verfolgt er nicht etwa die Biografie eines Komponisten, der es zu unsterblichem Ruhm gebracht hat. Seine Hauptfigur ist der mächtige Kompositeur Salieri, der geachtet, nicht geliebt wird. Im Gegenteil zu Mozart, den alle lieben, weil er nebenher schöne Musik schreibt, während er, befeuert vom Wein, in den Tag hinein lebt. Ein Mann, der immer Geldsorgen hat, dessen Frau an seiner Flatterhaftigkeit verzweifelt und ihn zwischenzeitlich verlässt – aber Mozart komponiert, ohne nachzudenken, ohne einmal in seinen Notenblättern zu radieren, die schönsten Harmonien, die noch Jahrhunderte später glänzen. Während Salieri gezwungen ist, zu erleben, wie seine Musik kaum mehr gespielt wird, in Vergessenheit gerät.
Was Musik anrichten kann, zeigt Milos Forman auf dem Gesicht des formidablen F. Murray Abraham (Scarface – 1983; Die Unbestechlichen – 1976; Serpico – 1973), der den Salieri spielt, wann immer der in einer Oper Mozarts sitzt, oder dessen Notenblätter liest. Abraham zeigt dann ein Gesicht zwischen empörter Fassungslosigkeit und zum Heulen neigender Freude. Da spielt sich – und Abraham muss da gar nicht viel machen mit seinem Gesicht, ihm reichen die Augen dafür – eine ganze Landschaft aus Emotionen ab.
Forman inszeniert den Salieri als den Dunklen Zwilling des Titelhelden Wolfgang Amadeus Mozart. Beide Männer haben, was der andere gerne hätte: Mozart eine gewinnbringende Festanstellung bei Hofe, Salieri Mozarts Muse. Während er vordergründig als sein Mentor auftritt, der ihm bei Hofe Türen öffnet, intrigiert er gegen ihn und schließt bei Hofe, wo man über ihn die Nase rümpft, er brauch „zu viele Noten“, eine Türe nach der anderen, bis Mozart in alkoholumnebelter Verzweiflung versinkt, ohne freilich in seiner Genialität eingeschränkt zu werden. Der Kniff des zugrundeliegenden Bühnenstücks, einen Mord an Mozart in dessen Biografie einzubauen, mag ihn den Respekt der Historiker kosten, bietet aber die Möglichkeit famoser Kolportagen im kaiserlichen Wien des späten 18. Jahrhunderts rund um Mozarts voluminöse Opern. Und um sein Requiem, dessen Komposition hier Ausgang ist für das Siechen des Komponisten bis hin zu dessen Tod nach der Niederschrift der letzten Note, woraufhin er an einem verregneten Tag verschachert wird in einem Armengrab vor der Stadt.
Formans "Amadeus" ist ein prachtvolles Ausstattungsstück. Lustvoll stürzt sich Ausstatterin Patrizia von Brandenstein in die Architektur und restauriert prunkvolle Säle und Theater jener Zeit. Daran allerdings wäre der Film beinahe gescheitert. In Hollywood stieß das Filmprojekt auf kein Interesse bei den Studios. Kostümfilme sind momentan nicht gefragt, außerdem geht es um um klassische Musik und dann spielt die Geschichte auch noch – aus amerikanischer Perspektive – irgendwo weit weg und vor langer Zeit. In den Filmstudios sind Geschichten über Sternenkrieger und Kampfroboter gefragt. Shaffer und Forman stießen bei Saul Zaentz auf offene Ohren, der auch Formans Einer flog über das Kuckucksnest produziert hatte. Zaentz erkannte das Potenzial hinter der erfundenen Biografie in Verbindung mit dem zentralen Thema des Stücks, der Ungerechtigkeit Gottes oder des Schicksals bei der Verteilung von Begabungen.
Die erfundene Biografie gibt den Filmemachern alle Freiheiten bei gleichzeitig einem, zumindest in Europa, prominenten Namen und sehr filmtauglicher Musik, sowie Figuren, die es mit solchen aus den gerade beliebten Fantasyfilmen aufnehmen können – wenn hier auch nur auf einer Theaterbühne; im Don Giovanni kracht plötzlich der Cousin von Darth Vader durch die Kulisse. Mit dem historischen Mozart haben im Film nur die Musik und seine Ehefrau Constanze Gemeinsamkeiten. Mozart als gackernder Clown mit genialem Impetus ist Ergebnis eines fulminanten Auftritts des jungen Tom Hulce und eine schöne Idee für die Dramaturgie dieser Geschichte um den höchst steifen Salieri. Tatsächlich war Mozart ein konzentrierter, hart arbeitender, gebildeter Komponist, der seine Kunst von Kindesbeinen an studierte, der in drei Sprachen parlierte, der sechs Kinder zeugte (nicht nur, wie im Film, eins), von denen vier im Säugingsalter starben. Auf der anderen Seite wird Salieri von Zeitgenossen als freundlicher Herr geschildert, der Mozart in professionellem Respekt verbunden war.
Fürchterlicherweise wird "Amadeus" für die beiden Komponisten, was Spielbergs Weißer Hai für dessen Titelfigur wurde. Die Bilder der beiden realen Künstler aus dem 18. Jahrhundert werden zu Zerrbildern; vor allem Salieri wird auf Dauer dämonisiert sein. Ein hoher Preis, gezahlt aber für einen faszinierenden, prachtvollen Verschwörungsthriller in fantastischer Aufmachung.
Im Jahr 2001 hat Milos Forman sein Oscar-gekröntes Meisterwerk um 20 Minuten verlängert. Forman verleiht dem Film auf diese Weise mehr Brisanz, indem er auf der einen Seite Mozart noch deutlicher als einen von der Gesellschaft geschnittenen, vom Leben überforderten Verlierer darstellt, andererseits dessen Kontrahenten Salieri noch stärker in seiner Niedertracht karikiert.
Das musikalische Psychodrama ist eine fiktive Biografie, die nicht auf Authentizität Wert legt. Denn dann würde der ganze Film gar nicht funktionieren. Der die Handlung voran treibende Hass Salieris bleibt bloße Behauptung der Filmemacher. Salieri hatte gegenüber Mozart die bessere Position, war beim Publikum sowie bei Kaiser Joseph II. mindestens so hoch, wenn nicht gar höher angesehen als Mozart. Mozart strebte hingegen immer nach einer Anstellung, wie Salieri sie hatte. Ein wirklich belegtes Zerwürfnis gab es einmal kurzfristig. Das führte aber nicht zu Todeswünschen. Zeitzeugen berichten, beide würden zwar in Konkurrenz zueinander stehen, jedoch getragen von gegenseitigem, professionellem Respekt. Die Legende, dass Mozart von Salieri vergiftet worden sei, geht auf das 1832 verfasste fiktionale Theaterstück "Mozart und Salieri" des russischen Dichters Alexander Sergejewitsch Puschkin zurück, das die Vorlage für Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakows gleichnamige Oper (1897) war.
Die Acadamy of Motion, Picture, Arts and Sciences spendierte 8 Oscars: Bester Film, Regie (Milos Forman), Ausstattung (Patrizia von Brandenstein, Karel Cerny), Hauptdarsteller (Tom Hulce), Drehbuch-Bearbeitung (Peter Shaffer), Kostüme (Theodor Pistek), Make-Up (Paul LeBlanc, Dick Smith) und Ton (Mark Berger, Tom Scott, Todd Boekelheide, Chris Newman). Die Produktionskosten werden auf rund 18 Millionen US-Dollar geschätzt. In den Kinos der USA spielte der Film bis 1985 rund 52 Millionen US-Dollar; die Wiederaufführung im Jahr 2002 brachte in den US-Kinos nochmals rund 360.000 US-Dollar ein.
Die Musik zum Film (hauptsächlich Kompositionen von Mozart) wurde von der Academy of St. Martin in the Fields unter Sir Neville Marriner aufgenommen. Im Booklet zur Soundtrack-LP erklärt er: „Das Gute an Amadeus ist, dass der Film um die Musik herum produziert worden ist und nicht, wie üblich, andersherum.“)