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Plakatmotiv: Airpot ‘74 – Giganten am Himmel (1974)

Kerlige Männer, warmherzige Frauchen
und eine elegant inszenierte Boeing 747

Titel Airport ‘74 – Giganten am Himmel
(Airport 1975)
Drehbuch Don Ingalls
nach Motiven des Romans "Airport" von Arthur Hailey
Regie Jack Smight, USA 1974
Darsteller
Charlton Heston, Karen Black, George Kennedy, Efrem Zimbalist Jr., Susan Clark, Helen Reddy, Linda Blair, Dana Andrews, Roy Thinnes, Sid Caesar, Myrna Loy, Ed Nelson, Nancy Olson, Larry Storch, Martha Scott, Jerry Stiller, Norman Fell, Conrad Janis, Beverly Garland, Linda Harrison, Guy Stockwell, Erik Estrada, Kip Niven, Charles White, Brian Morrison, Amy Farrell, Irene Tsu, Ken Sansom, Alan Fudge, Christopher Norris, Austin Stoker, John Lupton, Gene Dynarski, Aldine King, Sharon Gless, Laurette Spang, Gloria Swanson u.a.
Genre Drama
Filmlänge 107 Minuten
Deutschlandstart
27. März 1975
Inhalt

Flug 409, eine Boeing 747 der Columbia Airlines, befindet sich auf dem Weg von Washington nach Los Angeles. Geführt wird die Maschine von Kapitän Stacy. Gleichzeitig macht sich der Geschäftsmann Scott Freeman aus New Mexico mit seiner Privatmaschine auf den Weg zu einem geschäftlichen Treffen in Idaho. Durch eine Schlechtwetterfront an der Westküste kann die Boeing Los Angeles nicht anfliegen. Flug 409 wird nach Salt Lake City umgeleitet. Dorthin wird auch Freemans Maschine beordert.

Beide Maschinen befinden sich im Landeanflug auf Salt Lake City, wobei die 747 vor der Privatmaschine landen soll. Freeman fürchtet durch die Verspätung um den Verlust seines Geschäftes und erleidet einen schweren Herzanfall. Seine Maschine steigt unkontrolliert und gerät in die Flugbahn der Passagiermaschine. Freemans Maschine stößt mit der 747 zusammen und reißt dabei ein großes Loch in das Cockpit. Durch den Druckabfall wird der Erste Offizier Urias aus seinem Sitz gerissen. Flugingenieur Julio wird tödlich verletzt. Captain Stacy erleidet durch Trümmerstücke so schwere Verletzungen, dass er nicht weiter fliegen kann. Er kann gerade noch den Autopiloten einschalten, damit die Maschine in einer stabilen Fluglage bleibt.

Unter den Passagieren ist Panik ausgebrochen. Die Chefstewardess Nancy Pryor eilt ins Cockpit und erkennt die Ausmaße der Katastrophe. Per Funk unterrichtet sie den Tower von dem Unfall und dem Zustand der Crew. Das Anzeigepaneel des Ingenieurs wurde bei dem Aufprall zerstört, ein großes Loch hat sich über dem Copilotensitz gebildet.

Columbia unterrichtet ihren Vizepräsidenten Joe Patroni von der Situation. Der ehemalige Mechaniker nimmt Kontakt zum Cheffluglehrer von Columbia, Al Murdoch, auf. Mit einem Jet eilen die beiden nach Salt Lake City. Während des Fluges nehmen sie Kontakt zu Nancy auf, die im Cockpit der 747 geblieben ist. Zwar bleibt die Maschine durch den Autopiloten in einer stabilen Fluglage, doch es können keine Richtungs- oder Höhenänderungen vorgenommen werden. Doch diese Änderungen sind nun zwingend notwendig, da das Flugzeug bald die Gebirgskette der Wasatch Mountains erreicht. Murdoch will Nancy über Funk instruieren, aber der hält nicht lang. Flug 409 ist taub und stumm, weder Murdoch noch der Tower können mit der Maschine kommunizieren.

Nancy ist nicht in der Lage, den Kurs der Maschine zu ändern. Zudem verliert die Boeing Treibstoff und nähert sich den Bergen. Der Maschine droht der Aufprall an einer Bergflanke …

Was zu sagen wäre

Was für ein Film! Was für ein Quatsch! Was für ein Spaß! Was für eine Spannung! In dieser Neuauflage des Airportdrama von 1970, die mit Arthur Haileys Romanvorlage („nach Motiven von“) nicht mehr gemein hat, als die flugunfähig gemachten Piloten, packt das US-Kino alles aus, was es hat – in der wohligen Überzeugung, für den Weltmarkt die Welterhaltende Übermacht US-amerikanischer Ingenieurskunst zu zementierten. Das Kino aus Hollywood geriert sich hier, wie die Marketingabteilung einer USA.Inc., die das Fliegen feiert, die Boeing-Werke besingt („Dass die Maschine das ausgehalten hat.“), den Mann Kerl sein und die Frau mütterliche Wärme spenden lässt.

Die Männer in diesem Film sind harte Kerle (ein Junge, der auftritt und sich als Sohn des Vizepräsidenten der Fluggesellschaft identifiziert, ist noch kein Kerl, aber mächtig altklug), immer unterwegs im Dienste des Geschäfts – die 747-Piloten wirken, als säßen sie im Cockpit, um die Stewardessen abzugreifen, der Pilot des fatalen Kleinflugzeugs fliegt durch gefährliche Gewitterstürme, um wichtige Geschäftsabschlüsse nicht zu verlieren. Die Männer in diesem Film leben in einer kalten, profitorientierten Gesellschaft, aus der sie – „Einer muss den Job ja tun!“ – nicht ausbrechen können. Dafür, die Welt etwas wärmer zu machen, sind die Frauen an Bord, also überhaupt in der Welt.

Da ist die Chefstewardess, die Karen Black (Familiengrab – 1976) mit duldsam aufblickenden Silberblick versieht, die („Ich kann das nicht!“) jammert, sich aber von ihrem Kerl, Chefausbilder Al „Charlton Heston“ Murdock“, über Funk autoritär den Knüppel führen lässt („Du machst das sehr gut, Liebling!“). Da ist ein krankes Mädchen auf dem Weg zu einer lebensnotwendigen Nierentransplantation – die einstmals vom Teufel besessene Linda Blair spielt sie mit süßen Pausbäckchen und bemerkenswert elegant lackierten Fingernägeln. Während eine patente Witwe die Alkoholbestände an Bord mit witwenweisem Ich-weiß-was-ich-mir-antue-Blick dezimiert, setzt sich gleich eine Nonne zu dem nierenkranken Mädchen, greift zur Gitarre und singt für sie ein stimmungsvolles Liedchen – Helen Reddy spielt die züchtge Nonne, eine vor allem in den USA erfolgreiche Sängerin, der hier eine ausbaufähige Marketingplattform geboten wird. Da ist die große Gloria Swanson (Boulevard der Dämmerung – 1950), die sich selbst spielt als alternde Diva, die sich anschickt, Hollywoods Männergesellschaft per Biografie zu Fall zu bringen.

Diesen Frauenfiguren, zu denen noch eine sehr junge, sehr blonde Stewardess zählt, sitzen aufdringliche Chefingenieure, eitle Verlierer und alberne Säufer gegenüber, sowie – am Boden – TV-Reporter, die sich gerieren wie fiebrige Frettchen, Army-Helden mit Lust am Unmöglichen („Ich habe in Vietnam viele Absprünge gemacht. Aber was Sie jetzt vorhaben, Sir, da schlottern mir die Knie.“ „Mir auch, Lieutenant!“), der knurrige Vizepräsident und ehemalige Chefmechaniker Joe Patroni („Ich brauche Al Murdoch hier. Sofort!“), den der große George Kennedy (Erdbeben – 1974; Der Unbeugsame – 1967; Das dreckige Dutzend – 1967; Der Mann vom großen Fluss – 1965; Der Flug des Phoenix – 1965; „Die vier Söhne der Katie Elder“ – 1965; „Wiegenlied für eine Leiche – 1964; „Charade“ – 1963) mit Lust am Virilen spielt.

Am schlechtesten – man könnte sagen unterirdisch, wenn das in einem Flugzeugfilm nicht ein schiefes Adjektiv wäre – ist der Film in den Minuten nach dem Zusammenprall der beiden Maschinen. Vorher entwickelt Jack Smight (Der Etappenheld – 1967; Ein Fall für Harper – 1966), wie im Katastrophenfilm üblich, sein Personaltableau nach bekanntem Klischeemuster (s.o.) – das erwartet man gar nicht anders in so einem Film – und als sich die Lage, und damit das Flugzeug, stabilisiert hat, inszeniert Smight zupackend das Drama einer unmöglichen Rettung und packt aus, was die moderne Special-Effect-Technik hergibt. Aber in den 20 Minuten rund um die Katastrophe ist der Film genau das: eine Katastrophe.

Unmittelbar nach dem Aufprall schneidet der Film zu den Passagieren, die, obwohl sie gar nicht so bedeutsam viel von dem Crash mitbekommen haben können, unmotiviert durcheinander schreien, die Stewardessen belästigen, sich beschweren. Dann setzt sich Nancy, die Chefstewardess, todesverachtend an den Steuerknüppel der Maschine, und gerade wollen wir sie ob ihres rationalen Mutes bewundern, den Job zu erledigen, den halt jemand erledigen muss, da schrumpft sie unter der autoritären Kommandostimme ihres Lovers, der auch Chefausbilder der Piloten ist, sie seit Jahren am ausgestreckten Penis verhungern lässt (was ein Telefonat zu Beginn andeutet) und der im Zivilleben Charlton Heston heißt (Erdbeben – 1974; Die drei Musketiere – 1973; Jahr 2022 … die überleben wollen – 1973; Der Omega-Mann – 1971; Herrscher der Insel – 1970; Planet der Affen – 1968; Der Verwegene – 1967; Sierra Charriba – 1965; El Cid – 1961; Ben Hur – 1959; König der Freibeuter – 1958; Weites Land – 1958; Im Zeichen des Bösen – 1958; Die zehn Gebote – 1956; Am fernen Horizont – 1955; Pony-Express – 1953), zu einem Ich-kann-das-alles-nicht-Mäuschen, die am besten beim Kaffee kochen in der Kombüse aufgehoben scheint: „Rechts unter Dir ist eine Konsole, Nancy.“ „Eine was??

<Nachtrag 2004>Der Film ist schlecht gealtert. Heute sind Männer- und Frauenbild so anders, dass das, was uns im Film gezeigt wird, zum Fremdschämen einlädt. Wenn Charlton Heston seine Freundin, die Chefstewardess über Funk anleitet, was sie zu tun hat („Du machst sehr gut, Liebling!“), ist das inszeniert, wie Papa-sagt-Mädel-jetzt-mal-wo-es-langgeht-in-der-Welt.
Und seit die ZAZ-Truppe 1980 mit Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug vor allem diesen Film für ihre großartige Gag-Parade ausgeschlachtet hat, fällt es schwer, während des dramatischen Abenteuers ernst zu bleiben.</Nachtrag 2004>

Aber danach kennt die Spannung keine Männer, keine Frauen mehr, sondern nur noch eine silbern glänzende Boeing 747 mit dem roten Columbia-Schriftzug (eine interessante Namensgebung, wenn man bedenkt, dass eines der großen Konkurrenten des Airport-produzierenden Universal-Studios das Columbia-Studio ist), die auf der Cinemascope-Leinwand elegant über verschneite Täler unter einem strahlend blauen Himmel durch enge Bergketten navigiert und der Rettungseinsatz, in dessen Zentrum der Plan steht, einen erfahrenen Piloten aus einem Hubschrauber abzuseilen und durch das Loch im Cockpit in die Maschine zu hieven. Hier fährt die Produktion auf, was Luftfahrt-Industrie zu bieten hat. Die 747 sollen sich die Produzenten für ca. 30.000 US-Dollar pro Tag von der Fluggesellschaft American Airlines geliehen haben – wieviel allerdings die Boeing-Werke für die wertvolle Werbung bezahlt haben mögen, ist nicht bekannt. Dazu schweben schwere Militärhubschrauber durchs Bild und Kampfjets der US-Marine.

Die Figuren verhalten sich über weite Strecken, wie für einen Katastrophenthriller dieses Zuschnitts gehört: zielorientiert, humorlos, tapfer. Aber wenn Jack Smight die Special Effects auspackt, entwickelt der Film eine große Spannung, die die meisten soziologischen Albernheiten überdeckt.

Unterm Strich: Großartiges Kintopp!

Wertung: 7 von 9 D-Mark
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