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Plakatmotiv: 15 Minuten Ruhm (2001)

Die Gier nach Öffentlichkeit
Etwas zähe Medien-Klage

Titel 15 Minuten Ruhm
(15 Minutes)
Drehbuch John Herzfeld
Regie John Herzfeld, USA, Deutschland 2001
Darsteller

Robert De Niro, Edward Burns, Kelsey Grammer, Avery Brooks, Melina Kanakaredes, Karel Roden, Oleg Taktarov, Vera Farmiga, John DiResta, Charlize Theron, Kim Cattrall, Sebastian Roché, Tygh Runyan, Janean Christine Mariani u.a.

 

Genre Satire, Drama
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
12. April 2001
Inhalt

Eddie Flemming, charismatischer Chefermittler der New Yorker Mordkommission, ist bekannt dafür, dass er jeden Fall löst. Nicht zuletzt verdankt er das dem Umstand, dass er einen guten Draht zu den Medien hat. Gerade hat es Flemming auf die Titelseite des PEOPLE-Magazine geschafft. Diesen Erfolg neiden ihm viele Kollegen, aber solange der PR-Profi seine Bekanntheit gewinnbringend in seinem Job einsetzt, kann niemand so recht was dagegen sagen.

Als in einem ausgebrannten Gebäude zwei Leichen gefunden werden, sieht zuerst alles nach einem Unfall aus. Doch der Brandstiftungsexperte Jordy Warsaw ist davon überzeugt, dass das Feuer absichtlich gelegt wurde. Er und Flemming bilden ein Team und kommen den Tätern auch schnell auf die Spur. Es sind Oleg Razgul und Emil Slovak, ein russischer und ein tschechischer Killer – Oleg ist auch noch ein filmbegeisterter Killer, der alles mit der Videokamera festhält, auch Morde. Emil hat in Talkshows im US-Fernsehen gelernt: Selbst gemeingefährliche Killer wie sie können zu berühmten, schwerreichen Promis werden, die für ihre Straftaten offenbar nicht einmal belangt werden. Sie müssen es nur richtig anstellen.

Ihr Ziel also: Sie wollen berühmt werden! Und wie geht das einfacher, als wenn man New Yorks berühmtesten Polizisten – Eddie Flemming – vor laufender Kamera tötet …

Was zu sagen wäre

Willkommen in New York, der Stadt mit den meisten TV-Sendern auf einem Quadratmeter. In "15 Minutes" geht die moderne Gesellschaft hier gerade vor die Hunde. Schafft sie das hier, schafft sie das überall. In Talkshows sitzen alte Männer, die ihre Schwiegertochter geschwängert haben und dann erklären, das sei, weil ihr versoffener Vater sie als Kind nicht ernst genommen habe. In der Zeitung werden Fälle von brutalen Killern erörtert, die nicht ins Gefängnis gehen, weil sie zur Tatzeit nicht strafmündig waren und dann viel Geld für ihre Memoiren und deren Filmrechte angeboten bekommen. Wer seine Nase oft genug in die Fernsehkameras der Stadt stecken konnte, wird berühmt, geliebt und schwer reich.

"In the future, everyone will be famous for 15 Minutes." Auf dieses Zitat des PopArt-Künstlers Andy Warhol von 1969 bezieht sich der Filmtitel "15 Minutes". Dass Warhol damit Recht behalten hat, zeigt die Flut nachmittäglicher Talk-, Reality- und scripted Realityshows mittlerweile auch bei uns in Deutschland – und natürlich die Container-Show "Big Brother". John Herzfeld, Regisseur der "15 Minutes", der zuvor für 2 Tage in L.A. (1996) viel Kritikerlob bekam, sagt: „Früher kamen die Menschen nach Amerika, weil man es hier durch harte Arbeit zu etwas bringen konnte. Heute will niemand mehr für irgend etwas verantwortlich sein, die Leute wollen nur berühmt werden. Dabei haben die meisten nichts geleistet, was ihren Ruhm rechtfertigen würde.“ Das ist kein amerikanisch-isoliertes Problem: Als im September 2000 die Olympischen Spiele von Sydney in vollem Gange waren, gaben deutsche Jugendliche in einer Umfrage als Berufsziel "Leichtathlet" an. Nicht, weil sie sportbegeistert waren, sondern, weil man so ins Fernsehen kommt und berühmt wird. Der körperlichen Anstrengung, die der Jagd auf Medaillen vorausgeht, standen dieselben Jugendlichen eher ablehnend gegenüber.

Die Sogkraft, die Medien auf die Menschen auslösen, hat das Kino schon oft thematisiert, durchaus mit einer gewissen diebischen Freude: Fernsehen ist auch Konkurrenz des Kinos. In Sidney Lumets Network schickten die Bosse eines landesweit ausstrahlenden Kabelkanals schon 1976 Terroristen los, um kameragerecht und für gute Quote ihrem Job nachzugehen. Es ist also zum Thema schon früh alles gesagt worden. Aber natürlich nicht für jede Generation. "15 Minutes" hat nicht die Klasse von Network, in dem die Bosse ganz oben im Sender durchdrehen. Die Sendergewaltigen in Herzfelds Film sind Abteilungsleiter und mittleres Management. Es gibt da eine Sendung namens "Top Story" mit Moderator Robert Hawkins. Der ist eine Größe im Boulevardfernsehen und seine Sendung muss eine gewisse Reichweite haben, weil ein NYPD-Cop, der dort regelmäßig auftritt, in Manhattan als Super-Cop gefeiert wird.

Robert Hawkins geht über Leichen für die Quote, wenn auch mit angemessen schlechtem Gewissen. Und die beiden osteuropäischen Killer, die in ihrer Heimat zu viele Filme gesehen, halten sich für Regiekoryphäen à la Frank Capra und glauben, wenn sie nur irre genug auftreten, gehen auch sie nicht ins Gefängnis und werden stattdessen reich und berühmt. Dass es soweit nicht kommen wird, können wir schon allein daran erahnen, dass nicht einmal das quotengeilste US-Filmstudio russische Killer in den USA mit verrückten Morden durchkommen ließe. Aber es wird dennoch sehr wild unter Herzfelds Regie und bisweilen sehr blutig und schmerzhaft. Die Killer sind nämlich blöd wie ein Stück Brot. Sie kommen in die USA, um sich bei einem Freund/Cousin Geld zu holen, das ihnen angeblich zusteht. Weil sie den dazugehörigen Ansprechpartner nach zehn Minuten ermordet haben, tingeln sie ziellos durch die Stadt. Der eine hat eine so kurze Lunte, dass er überall Leichen hinterlässt, der andere nimmt alles mit seiner geklauten Videokamera auf. Daraus entsteht dann der Wir-werden-reich-und-berühmt-Plan, der aber so löchrig ist, dass wir ihm kaum folgen können.

In diesem Plan spielt Eddie Flemming, der schon erwähnte Super-Cop, eine wichtige Rolle, der – von wem auch sonst – von Robert De Niro gespielt wird (Meine Braut, ihr Vater und ich – 2000; Men of Honor – 2000; Makellos – 1999; Reine Nervensache – 1999; Ronin – 1998; Große Erwartungen – 1998; Wag the Dog – 1997; Jackie Brown – 1997; Cop Land – 1997; Sleepers – 1996; The Fan – 1996; Heat – 1995; Casino – 1995; Mary Shelley's Frankenstein – 1994; Kap der Angst – 1991; Backdraft – 1991; Schuldig bei Verdacht – 1991; Zeit des Erwachens – 1990; GoodFellas – 1990; Midnight Run – 1988; Die Unbestechlichen – 1987; Angel Heart – 1987; Mission – 1986; Brazil – 1985; Der Liebe verfallen – 1984; Es war einmal in Amerika – 1984; "Wie ein wilder Stier" – 1980; Die durch die Hölle gehen – 1978; New York, New York – 1977; Der letzte Tycoon – 1976; 1900 – 1976; Taxi Driver – 1976; Der Pate II – 1974; Hexenkessel – 1973). De Niro macht aus dem eitlen Erfolgs-Cup einen versoffenen, verliebten und kollegialen Besserwisser, der am Heiratsantrag für seine griechisch stämmige Freundin scheitert, weil er die entsprechenden Sätze auf griechisch nicht ordentlich hinbekommt. Für De Niro ist das professionelles Handwerk. Er hat in seiner Karriere so viele Kerle – mächtige, schwache, Angeber und Killer – gespielt, dass er für den Eddie Fleming aus reichhaltiger Erfahrung schöpfen kann. Von seinem Partner Edward Burns bleibt nach dem Abspann nur in Erinnerung, dass er aussieht, als hätte die Produktion Ben Affleck oder Dylan McDermott nicht bekommen; ein Lookalike, kein Charakterkopf.

Der Irrwitz geht um in der Gesellschaft und wer sich in die Medien begibt, kommt darin um. Darin seinen Platz zu finden und zu behaupten, ist schwer. Entsprechend schwer tut sich John Herzfeld, seinem Film eine klare Linie zu geben. "15 Minutes" wandert durch die Genres. Grundsätzlich mag man in dieser Überzeichnung der Zustände an eine Satire denken, wofür auch spricht, dass der Plan der Ost-Killer nicht ausgereift, ja ein wenig albern sein muss. Aber Satire hat mit Lachen zu tun. Und zum Lachen bietet der Film nichts. Herzfeld inszeniert ein paar wenige Actionszenen und die Geschichte ist insgesamt dramatisch. Aber sind das nicht alle Kriminalgeschichten? Ein bisschen Romantik wird beigemischt und sogar ein angedeutetes Duell, wie im Western. Der Film nimmt keine Haltung ein, traktiert seine Zuschauer mit Bildern des Wahnsinns des Alltags auf der Straße und im TV-Studio. Damit setzt er sich dem Verdacht aus, genau das zu tun, was er angeblich anprangert: mit spektakulär blutigen Bildern, nicht mit einer Aussage Kasse machen zu wollen.

Wertung: 3 von 6 €uro
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